Zwei deutsche Seelen: Hajo Funke und Bernd Merbitz
Mai 2015, Berlin Zehlendorf
In letzter Zeit wird gern dämonisiert, und das ist kein Wunder, denn das Oktoberfestattentat und der NSU sind ein Dämonengarten, zwei unklar verbundene Zaubergärten der Desinformation. Uns huscht da eine von vielen Gestalten entgegen, die ich ein wenig kennen lernen durfte. Es ist Hajo Funke.
Weit davon entfernt, ein eiskalter Mensch zu sein, geht von dem Mann zunächst eine erstaunliche Unterwürfigkeit aus; tatsächlich ist dieser sofort ins Auge springende Charakterzug Funkes wohl auch sein entscheidender Charakterzug. Er kannte mich kaum, da notierte er jedes Wort, das ich sprach, und ich sah ihm an, dass er körperliche Angst vor mir empfand. Er, der bekannte Intellektuelle, ich, der seltsame Mann aus dem Nichts.
Wer Funke kennt, muss immer wieder maßlos verblüfft sein über dessen Beruf. Wenn Funke spricht, ob privat oder im Fernsehen, dann vermeint man die Bildungstradition der Weimarer Klassik zu hören, den leisen, musikalischen Ton Herders, wenn der leicht betrunken vom deutschen Nationalcharakter philosophiert hat. Umso bemerkenswerter für so einen Mann ist der Beruf des Politikwissenschaftlers, in der BRD zweifellos ein ordinärer und unanständiger Beruf. Da steht etwas quer, muss man denken, wenn man ihn seinen Beruf ausüben hört.
(Ein befreit lachender Hajo Funke. Foto: CIA, Arseh Sevom)
Grausam, dieser Widerspruch zwischen dem Herder-Ton und dem US-amerikanischen Role Model der Hannah Arendt, auf das er sich immer wieder beruft. Funke steigt dabei durch dasselbe Wurmloch wie Heidegger, der nicht um verkrampfte Schmusereien mit der Arendt, dieser Begründerin der schändlichen „Politischen Wissenschaften“, herumgekommen ist. Geistfeindliche Scheiße aus dem transatlantischen Campus hat es Funke ja angetan, sagt er, verklausuliert.
Freilich ist Funke nicht ehrlich davon durchdrungen, er scheint nur Angst davor zu haben, nicht davon durchdrungen zu sein.
Zur Unterwürfigkeit gesellt sich eine große Unfreiheit, die sich in einem sympathischen Auftreten, echter Herzlichkeit gegenüber Fremden, ja sogar Feinden (wie mir) und einem angenehm selbstironischen Humor zeigt. Angst- und Kraftzentrum dieser Unfreiheit ist selbstverständlich die Furcht vor dem Judentum. Nie werde ich sein maßloses Entsetzen vergessen, das ihn packte, als er erfahren musste, dass mich das Judentum nicht interessiert und ich allen Völkern, sofern man mir mit dieser Kategorie kommt, mit wohlwollender Gleichgültigkeit gegenüber stehe.
Schlimmer hätte man ihn kaum treffen können, als ihm gegenüber zu sitzen und keine Aversion oder keine gespielte Zuneigung gegenüber Juden zu zeigen.
Es war mir zu anstrengend, mich mit ihm über diesen Kram zu unterhalten. Scherzhaften Bemerkungen über den Mossad lauschte er freilich gerne, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass er demnächst in den Iran müsse und man ihn bald darauf zu einer jüdischen Hochzeit in Kalifornien erwarte. Der Herzschrittmacher auf seiner Brust ging lautlos.
Da konnte ich nicht mithalten. Zweifellos wurden bei diesen Auslandsaufenthalten intensive Gespräche mit ihm geführt. Wie auch immer. Kurz darauf machte er Wahlkampf für die bäuerlichen Nonnen von der Thüringer Linken, indem er die Katharina König als Heldin des Kampfs gegen den rechten Terror feierte, wo er doch kurz zuvor noch mir gegenüber die Täterschaft bei den Ceska-Morden als vollkommen offen bezeichnet hatte.
Ach Gott, Hajo.
Wie eine Pflichterfüllung erscheint dagegen das Abkupfern der Erscheinung des Bernd Merbitz. Auch er eine deutsche Seele, durch und durch, aber überaus gebrochen und grotesk verbildet, wie es Goethe nach einer Begegnung mit ihm vielleicht ausgedrückt hätte. Mit Merbitz war ich nie per du, wir haben uns bisher noch nicht einmal förmlich gesprochen, aber was bisher nicht war, das kann ja noch werden.
Merbitz ist Polizeipräsident von Leipzig und Chef des „Operativen Abwehrzentrums Rechtsextremismus“, einer wahrlich phantastischen Faschings-Organisation von Polizeibehörde. Ähnlich wie Funke hinter mühsam eingebildeten Gespenstern her, irrlichtert Merbitz zwischen Wodkaflasche und Dienstwaffe immer noch nicht phantastisch genug, um mich vorzuladen. Dabei würde ich ihn gerne kennen lernen.
Was muss das für ein Mann sein, der in der DDR und in der SED den Kriminaler gelernt hat, um nach der Wende bei der CDU groß raus zu kommen, Katholik zu werden und sich am Betschemel in Uniform ablichten zu lassen. Auch er würde jedes Wort mitnotieren, das ich ihm sage, da bin ich mir sicher. Auch er ein Mann der Angst, freilich mit engerem Horizont, ohne transatlantische Virtuosität, dafür mit einem gesunden Sinn für Repression, wie es sich gehört.
Seltsame Anrufe aus der Waffenkammer der Polizeidirektion Leipzig erreichten mich dereinst; und man ließ sich verleugnen.
Bernd, call me any time.
(Kriminalhauptkommissar Pohl von der SOKO Feuerball „mit kämpferischen Grüßen“, obwohl er nichts gegen den scheinbaren politischen Gegner in der Hand hat)
Vor dem ersten Weltkrieg fragt in Montenegro bei einem Hofball der König den deutschen Gesandten warum er ein so verdrießliches Gesicht mache. “Meine Uhr ist verschwunden, Majestät.” Haben Sie einen Verdacht? “Ja, den Herrn dort in der Ecke.” Ach du lieber Gott, das ist gerade mein Polizeipräsident Merbitz. “Aber, Majestät, dann habe ich mich natürlich getäuscht, ich möchte keine Verwicklungen heraufbeschwören….” Fünf Minuten später bringt der König dem Gesandten die Uhr. “Das ist mir aber sehr peinlich, Majestät! Was hat denn Merbitz nur gesagt?” Gesagt? lacht der König, gesagt?, der hat’s noch gar nicht gemerkt.