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Kexel in der Falle: Aus der Realität des Untergrunds

Dienstag, 15. Februar 1983, Frankfurt am Main, konspirative Wohnung „Giovanni“

An diesem Abend wartet die Polizei in der konspirativen Wohnung der Hepp-Kexel-Gruppe; ein Mitglied nach dem anderen trudelt dort zum vereinbarten Treffen ein und wird festgenommen.

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(Aktenvermerk aus dem Verfahren gegen Helge Blasche, 1983)

Helge Blasche, der im Gegensatz zu Hans Peter Fraas einen Schlüssel zur Wohnung dabei hat, wird „nach einem kleinen Handgemenge“ festgenommen, wobei der Wohnungsschlüssel abbricht. Dieser kleine Akt des Widerstands ist die letzte Aktion der Gruppe gegen den Staat; ein unpathetisches, unspektakuläres Ende.

Sofort nach der Verhaftung von Fraas, Blasche und Sporleder in der konspirativen Wohnung „Giovanni“ war der junge Dieter Sporleder zusammengebrochen und hatte den Verhörspezialisten neben den Banküberfällen auch Bombenanschläge gestanden, die man der Gruppe zunächst gar nicht zurechnen wollte. Damit war der Fall reif für die Bundesanwaltschaft.

Sporleder war aus Angst ins Reden gekommen; nachdem er die Zünder der Brandbomben, die unter den Fahrersitzen der GI-Fahrzeuge angebracht worden waren, genau beschrieben hatte, gab es keine Zweifel mehr an der Täterschaft. Er sagte später umfassend aus, ohne eine Begründung für das Auffliegen der Gruppe zu liefern, ganz im Gegensatz zu Fraas, dessen seltsame Rolle in der Gruppe an anderer Stelle besprochen worden ist.

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Die Hepp-Kexel-Gruppe hatte nur knapp ein Jahr bestanden; eine Reihe von Banküberfällen waren ausgeführt worden, schließlich mehrere Anschläge auf US-Soldaten, ein größerer Anschlag auf ein von US-Amerikaner genutztes Wohnhaus war gescheitert. Die Gruppe war von Spitzeln zum Terror angestiftet und angeleitet worden, hatte ihre Taten aber auch aus eigener Überzeugung unternommen. Ein bewaffneter Kampf gegen die westliche Besatzungsmacht hätte es werden sollen.

Blasche, der Mann, dessen Schlüssel im Schloss der konspirativen Wohnung „Giovanni“ zerbrochen war, hatte sich den Querfront-Männern um den energiegeladenen Walter Kexel im Frühjahr 1982 angeschlossen. Blasches Leben war bis zum Anfang der 80er-Jahre auf eine Art verlaufen, die an alles Mögliche denken lässt, nur nicht an den so genannten Rechtsradikalismus. 1942 geboren, hatte er die ersten Jahrzehnte seines Lebens in der DDR, zeitweise im Werkhof Hummelshain, einem Erziehungsheim, verbracht und war dann 1959 in die BRD übergesiedelt.

Aus seinen negativen Erfahrungen in der DDR, aber auch einem national-deutschen Denken, das den autoritären pädagogischen Institutionen der DDR nicht fremd war, entwickelte Blasche eine antiimperialistische Befreiungsideologie. Der frühere „Hitlerismus“ der Männer um Hepp war ihm fremd, und den Schwenk zum Nationalbolschewismus, wie ihn Hepp und Kexel vollzogen, schien ihm annehmbar.

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(Aus der Anklageschrift gegen Helge Blasche, 1984)

Es ist wohl ein Leben als Weltenbummler gewesen, eher das Leben eines Abenteurers oder gar eines Hippies als das eines zukünftigen so genannten Rechtsterroristen. Sogar der arglistige Sprengstoffverstecker Fraas sagte über ihn aus, dass ihm Gewalt fremd sei. Wer ihm heute begegnet, würde ihn niemals dem „rechten“ Lager zuordnen wollen, ihm gar die Beteiligung am bewaffneten Kampf gegen die Besatzungsmacht zutrauen.

Und doch war er Teil jener Gruppe geworden und hatte sich an den brutalen illegalen Aktionen beteiligt. Im Gegensatz zum Klischee des so genannten Rechtsterroristen verweist dieses Leben auf die Wirklichkeit des Menschen, der in Widersprüchen steht, sich verstrickt und kämpft und am Ende nicht die geringste Chance hat gegen den modernen Staat, seine technischen Mittel und bestochenen oder erpressten Helfer.

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(Helge Blasche als Aktivist, 1979)

Die Banküberfälle der Gruppe waren mit einer großen Kaltblütigkeit ausgeführt worden; man trat fast durchwegs zu viert an, wobei der wilde Kexel als menschlicher Stoßkeil den Schalterraum stürmte, schon mit seinem Auftreten den Anwesenden in den meist ländlichen Filialen jeden Gedanken an Widerstand austreibend. Die anderen sicherten die Aktion aus der Distanz mit Schrotflinten. Draußen, hinter dem Steuer des Fluchtfahrzeugs, wartete meist der nervenstarke Hepp, mit laufendem Motor, getarnt mit Perücke und falschem Bart.

Dann gingen die Fahrten durch waldreiches Gebiet, man durchmaß im Laufschritt kilometerweit Unterholz und ließ sich irgendwo fallen, um stundenlang zu verharren.

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(Aus der Anklageschrift gegen Dieter Sporleder, 1984)

Nachdem man das im Wald vergrabene Geld Tage darauf geholt hatte, teilte man es auf. Der eine versteckte es weiter, der andere kaufte sich dafür einen Porsche. Und man machte Urlaub, in Italien oder Frankreich.

Mit dem vielen Geld war die ursprüngliche Befreiungsideologie der Gruppe aber auch in Frage gestellt worden. Das machte sich insbesondere bei Fraas und Sporleder bemerkbar, denen die politische Ziele zunehmend fremd wurden.

Trotz hoher Perfektion flog auch diese Gruppe auf. Unweigerlich; Spitzel und Überwachung waren übermächtig. Heute will man uns erzählen, zwei Männer mit Wohnmobilen hätten Jahrzehnte lang, unter den technischen Bedingungen nach der Jahrtausendwende, solche Überfälle ausgeführt, ohne erkannt oder erwischt zu werden. Aber es ist nichts Neues; früher, bevor es einen NSU gab, hat man den Menschen eingeredet, es gäbe eine unbefleckte Empfängnis oder das Grabtuch von Turin wäre ganz sicher echt.

An diesem Abend des 12. Februar 1983 schnappt eine Falle zu; es ist die Falle, in die alle bewaffneten Staatsfeinde in den Staaten der NATO früher oder später, keinesfalls aber Jahrzehnte später, gehen, so es der Staat nicht unbedingt anders haben will.

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(Brief, aus der britischen Haft, von Walter Kexel an Helge Blasche, 1984)

Nachdem auch Kexel in Großbritannien eingesperrt worden war, schien ihn der Mut zunächst nicht ganz zu verlassen. Mit forschem Humor schildert er das ekelhafte Essen im Londoner Knast. Aber jede Kraft geht einmal zu Ende; nach dem Urteil gegen ihn, er sollte nach dem Willen des Gerichts 14 Jahre in Haft bleiben, wählte er den Freitod.

Es ist davon auszugehen, dass ihn in seinem Leben kein Geheimdienst unterstützt hat; ob dies auch für seinen Tod gilt, wird von manchen angezweifelt. Vielleicht nur, weil der Tod so gar nicht zu Kexel passen wollte.

Und was blieb den anderen? Der schlaue, schwer fassbare, von einem hitzigen Idealismus beflügelte Hepp ging in die DDR und später auf seine große Reise in die arabische Welt und nach Frankreich. Als sich für Blasche 1989 die Gefängnistore öffneten, zwei Drittel der Haftstrafen waren abgesessen, schrieb ihm der Richter:

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(Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in der Strafvollstreckungssache Blasche, 1989)