Jetzt oder nie: Den historischen Moment zur Erledigung der Propagandaverbrecher nutzen
Juni 2015, Zehlendorf
Im 14. Jahrhundert kam es in Europa plötzlich in Mode, mit ungeheurem technischen und künstlerischem Aufwand Reliquien zu fälschen. Die tausend Jahre davor hatte man die Nägel vom Kreuz Christi zwar auch schon säckeweise an verrückte Landadelige oder verbrecherische Pfaffen verkauft und vergoldete Schweineknochen als Fragmente des Nazareners ausgegeben, aber die Verfeinerung des Beschisses war dann doch etwas ganz Neues, Unerhörtes.
Einen Höhepunkt dieser Kunstwelle der Rosstäuscherei bildete das so genannte Grabtuch von Turin, ein Leintuch, auf dem in seltsam verschlagener, technisch perfekter Manier das Negativ einer menschlichen Gestalt gepinselt ist und scheinbare Blutspritzer zu sehen sind. Es sollte jenes Tuch sein, in das man die Leiche Jesu eingewickelt hatte, sagte man.
Selbstverständlich stellte sich nach den ersten ernsthaften naturwissenschaftlichen Untersuchungen im 20. Jahrhundert heraus, dass man es mit einem angeblich „künstlerisch wertvollen“ Fälscher-Kram zu tun hatte.
(Replik des Grabtuches von Turin)
Das „Grabtuch“ wurde besonders im frömmelnden 19. Jahrhundert verehrt, als der vorgebliche Glaube der Christenheit durch die Akkumulation des Industriekapitals unter einem ähnlichen Druck stand wie im 14. Jahrhundert, das von einem Propagandakrieg zwischen Kaiser und Papst geprägt war, von erbarmungsloser Desinformation und zynisch hemmungsloser Emotionalisierung der einfachen Menschen. Nebenbei wütete der Schwarze Tod und die Untertanen wurden mit sinnlosen Kriegen in ihrem eigenen Blut ersäuft.
Was hat sich der Künstler des 14. Jahrhunderts bei seinem Beschiss wohl gedacht?
Wer hat seinen Scherz finanziert, wer die Lügen auf den Weg gebracht, mit denen der Blödsinn unter die Leute geblasen wurde?
Und warum kam dem Mann und seinem Apparat niemand auf die Schliche?
Es ist überliefert, dass sich ein Bischof gegen die kirchliche Anerkennung des „Grabtuchs“ als Reliquie gewandt hat. Welche Fragen wird man ihm gestellt haben, um ihn umzustimmen, was wird man ihm an Argumenten entgegen gehalten haben?
Zunächst könnte es geheißen haben: Das glaubst du wohl selber nicht, dass das gefälscht ist, wie soll so was gehen, kein Mensch kann so etwas schaffen, da gibt es ja gar nicht die technischen Möglichkeiten dafür. Als nächstes vielleicht die Frage: Welches Interesse sollten diese frommen Menschen daran haben, eine solche Sünde zu decken wie die Fälschung eines Grabtuchs? Warum sollten sie sich einem solchen Verdacht aussetzen, ohne Not?
Und weiter: Wie soll das gehen, dass dutzende, vielleicht hunderte Menschen sich zu einer solchen Sache verschwören, wo die Heilige Mutter Kirche doch alles so genau überwacht und kontrolliert? Wenigstens einer der Fälscher und Lügner hätte doch reden müssen!
Nachdem der Bischof schon etwas kleinlauter geworden ist, kann ihm dann noch ein besonders schlauer Bibelfuchser nachsagen, dass ein solcher Zweifel doch nur dem Kaiser in die Hände spielt mit seinen gottlosen Machtbestrebungen und dass schon so etwas an sich zu denken eine Sünde sei, er wahrscheinlich einem feindlichen Geheimbund angehört, wenn er so etwas sagt.
Nun ist seit dem 14. Jahrhundert viel Zeit vergangen. Es war eine Zeit, in der meine Vorfahren durch genau jenen Gefühls-Blödsinn, der von kirchlichem Propaganda-Gelumpe wie dem Turiner „Grabtuch“ ausgeht, wie die Viecher nieder gehalten worden sind. Diese Leute haben, von einigen wenigen wilden Ausbrüchen abgesehen (wozu auch die Gründung von Zehlendorf gehört), jahrein jahraus brav geschuftet, gebetet, das Maul gehalten und sich beim Sex in die Hosen geschissen.
(Der ermordete Uwe Mundlos, 2011)
Als ich die ersten Bilder vom brennenden Wohnmobil in Stregda sah, hatte ich mich seit Jahren nicht mehr mit dem katholischen Schmarren beschäftigt. Ich saß vor dem Rechner und schlug wie wild in die Tasten, um mir und meiner Familie einen so genannten hohen Lebensstandard zu sichern. Im Grunde war mir alles egal, mit den Pfaffen hatte ich abgeschlossen und Politik interessierte mich nicht mehr.
Beim zweiten Blick auf diese genauso lächerlichen wie überwältigenden Bilder von der brennenden Nibelungenhalle als Terror-Wohnmobil und beim Lesen der schaurigen Behauptungen zu den angeblichen Taten dieser „Terrorzelle“ stand mir plötzlich der kalte Schweiß auf der Stirn. Der damalige Eindruck vom Totenbild des Mundlos ist mir in genauer Erinnerung; ich fühlte mich in alte Zeiten zurückversetzt, in die Welt der blutigen Engel mit den rauschenden Flügeln, zum Weihrauchdunst, den naiven Heiligen mit Pfeilen und Schwertern in ihren pathetisch verrenkten Körpern.
Sofort hatte ich die körperliche Gewissheit, dass hier ein Versuch unternommen wurde, unsereinen gewaltsam in einen Zustand des Glaubens zu versetzen. Mit aufgestellten Nackenhaaren machte ich mir klar, dass man so etwas mit mir nicht mehr durchziehen konnte. Alles mögliche wollte ich aushalten, sogar die „moderne Gesellschaft“, aber nicht diesen Scheißkram.
Da hatten sie also den Falschen erwischt. Ich war in der glücklichen Lage, körperlich, wie in einem Atavismus, empfinden zu können, was los war, aber auch, dass es diesmal mit dem Beschiss der Herrschenden nichts werden würde.
(Sinnfreies Foto aus den Akten der „SOKO Feuerball“, 2010. Nach Aktenlage handelt es sich bei dem abgebildeten Computer um einen Computer, auf dem Anleitungen zum Bombenbau gespeichert sein können. Man fragt sich, auf welchem Rechner nicht)
Wir leben in einer historischen Situation, in der wir den Herrschenden mitsamt ihren Propagandaverbrechern das Handwerk legen können. Die neuen Entwicklungen seit den Aussagen im Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss erlauben es uns, die große Zumutung, den großen Beschiss, auffliegen zu lassen und abzustellen.
Wer ein Herz hat, muss jetzt alles in die Waagschale werfen.