NSU Leaks: Verbotenes Zitieren aus Gerichtsakten?
Juni 2015, Schloss Ermreuth
Mit dem § 353 StGB hat der Gesetzgeber quasi eine ergänzende Strafbestimmung zum Schutze der Persönlichkeitsrechte geschaffen, die ihren besonderen Ausdruck im Gebot der Unschuldsvermutung finden.
Die auch eigenständig als Menschenrecht geregelte Unschuldsvermutung ist eines der wichtigsten Prinzipien rechtsstaatlicher Strafverfahren. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen damit strafrechtlich unter Anklage gestellte Personen vor Vorverurteilungen und Schuldzuweisungen geschützt werden.
Die Unschuldsvermutung ist in jedem Falle verletzt, wenn ein Amtsträger schuldzuweisende Äußerungen macht, bevor die Schuld des Betroffenen mit einem rechtskräftigen Urteil einwandfrei festgestellt wurde.   Â
Mit dem § 353d StGB wird der gesetzgeberische Wille zur Garantie der Menschenrechte dahingehend präzisiert, dass neben der verbotenen, voreiligen schuldzuweisenden Äußerung besonders das Zitieren aus Ermittlungsakten unter Strafe gestellt ist. Gleichzeitig soll natürlich mit den Bestimmungen des § 353d StGB auch verhindert werden, dass laufende polizeiliche Ermittlungen gefährdet werden.   Â
Der Strafanspruch gemäß § 353 StGB richtet sich gegen Amtspersonen, die aufgrund ihrer amtlichen Kompetenz oder Tätigkeit Zugang zu Ermittlungsakten von noch nicht abgeschlossenen Verfahren haben.
Äußern sich Amtspersonen, beispielsweise Staatsanwälte, Gerichts- und Polizeisprecher aber auch Regierungsvertreter und Regierungssprecher gegenüber Institutionen, die Öffentlichkeitsarbeit betreiben, so wird dadurch das Gebot der Unschuldsvermutung und somit eines der wichtigsten Menschenrechte verletzt.
Werden Einzelheiten, insbesondere Kopien von Originalakten von Amtsträgern an die Öffentlichkeit gebracht, dann ist das für diese strafbar.
Anders liegt der Fall, wenn die, der Geheimhaltung oder innerbehördlicher Vertraulichkeit unterliegenden Ermittlungsakten ganz oder teilweise von Personen, die nicht dem Behördenapparat angehören, aufgegriffen, weiter verbreitet und kommentiert werden, wenn das bis zur Eröffnung des Strafverfahrens geschützte Aktenmaterial schon durch Veruntreuung im Behördenapparat auf illegalem Wege an die Öffentlichkeit gelangt ist.
Dabei hat sich nur der Amtsträger, der das Aktenmaterial nach „draußen“ gelangen ließ gemäß § 353d StGB schuldig gemacht. Nicht jedoch der Bürger ohne Amt, wenn er mit dem, illegal an die Öffentlichkeit gelangten Aktenmaterial arbeitet, das heißt, es weiterverbreitet oder kommentiert. Und zwar deswegen nicht, weil er kein geheimes, sondern bereits öffentlich gewordenes Aktenmaterial bearbeitet. Für das „öffentlich zugänglich machen“ ist nicht er, sondern nur der Maulwurf vom Amt verantwortlich.
Gelangen im amtlichen Gewahrsam befindliche Ermittlungsakten vor Eröffnung des Gerichtsverfahrens und daher gemäß §353 StGB strafbar, ganz oder teilweise an die Öffentlichkeit, so ist hinsichtlich der Strafbarkeit entscheidend, welche Amtsperson dafür verantwortlich ist, dass die behördlich verwahrten Akten öffentlich werden konnten. Gegenüber Bürgern ohne Amt, vor allem auch Journalisten, Historikern, Bürgerechtlern und Gesellschaftskritikern kann kein Strafanspruch gemäß § 353d StGB begründet werden, weil von ihnen kein geheimes, sondern öffentlich zugängliches Material weiterverbreitet und kommentiert wird. Der Strafanspruch kann sich nur auf Amtspersonen und solche, die im weitesten Sinne im Behördenapparat beschäftigt sind, richten. Sonst könnte es noch soweit kommen, dass der beamtete Maulwurf straffrei bleibt, und stattdessen der Nutzer des öffentlichen Materials belangt würde.
Soviel zum § 353d StGB.
Zum Gebot der Unschuldsvermutung, als eines der vornehmsten Menschenrechte bleibt festzuhalten, dass gerade die Staatsanwaltschaften dieses Gebot permanent mit Füßen treten, ohne dafür geradestehen zu müssen.
Die behördlich gesteuerte Vorverurteilung ist bei aufsehenerregenden Strafverfahren mit politischem Hintergrund leider zur Regel geworden. Bedauerlicherweise hat sich die Bevölkerung schon an diese skandalöse Praktik gewöhnt. Wenn die Justiz in der als Rechtsstaat konzipierten Gesellschaft sichtlich entartet, wird der Widerstand gerecht denkender Idealisten herausgefordert. Das verkommene Establishment stemmt sich gegen die außergerichtlich betriebenen Bemühungen zur Wahrheitsfindung, weil es befürchten muss, von der Wahrheit in den selbst vorbereiteten Abgrund gestoßen zu werden.
Den Gesellschaftskritikern wird das Leben schwer gemacht, aber in der zeitgeschichtlichen Betrachtung späterer Generationen ist ihnen ein ehrenvoller Platz reserviert.Â
(Ein Beitrag von Karl Heinz Hoffmann) Â Â
Im NSU-Prozess wurde der Paragraf 353d StGB, in Bezug auf die Hauptangeklagte, übergangen. Dort gab es nie die Unschuldsvermutung. Dort gab es /gibt es eine in die Rechtsprechung gemeißelte Schuld.
Da trifft bei allen Denunzationsversuchen eher der § 241a StgB zu. Drecksland, das seine eigenen Gesetze mißachtet.