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Traum und Untergang der Wehrsportgruppe Hoffmann I

Eine lange Geschichte, 1972-2011

Nachdem der Nürnberger Werbegraphiker Hoffmann den neuen schwarzen Jaguar e-type Cabriolet aus der Werkstatt geholt hat, unternimmt er eine kleine Spazierfahrt durch Franken. Es ist das Jahr 1972; in München haben die Olympischen Spiele begonnen und aus dem Radio kommt die hysterische Sondermeldung, eine Geiselnahme im israelischen Olympischen Dorf sei im Gange. Hoffmann hört zwar hin, wie so viele andere Menschen in diesem Moment auch, kann sich aber keinen politischen Reim auf die Vorgänge machen. Für diese Dinge hat er sich noch nie sonderlich interessiert, und er versteht im Grunde auch wenig davon.

Das Nürnberger Atelier ist gut gelaufen in den letzten Jahren; ein Meister regelt die wichtigsten Fragen des täglichen Betriebs und der „Chef“ hat sich ein wenig aufs Kaffeehaus verlegt. Dort herrscht am späten Vormittag reger Betrieb. Immer wieder kommen die Leute an Hoffmanns Tisch und begrüßen ihn in einer fast schon übertrieben freundlichen Weise.

Schloss Almoshof als Wohnsitz zieht die Leute an, aber es sind Schleimer, falsche Freunde, denkt Hoffmann. Er lebt das Leben eines geachteten Bürgers einer großen westdeutschen Provinzstadt, der Wert auf sein Auftreten legt, vielleicht gilt er als ein wenig exaltiert, und die Frauen haben ihn gern. Es mag mit der Armut seiner Jugend und den Demütigungen zu tun haben, die er als Kind des „Klassenfeinds“ in der DDR erlebt hat; Hoffmann ist froh, aus eigener Kraft ein wohlhabender Mann geworden zu sein. Irgendwie hat er aber auch die Nase voll davon.

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(Hoffmanns Bautafel für das Olympische Dorf, 1971)

Manchmal denkt er an die finsteren Jahre nach dem Krieg zurück. Damals hatten sie durch Zufall, der Vater war gefallen, im Dachboden des Elternhauses wohnen bleiben dürfen. Irgend ein russischer Offizier war wohl der Ansicht gewesen, der Kommandant hätte es diesen Leuten erlaubt; ein Missverständnis. Die Mutter, eine Frau aus besserem Hause und mit einem aufrechten Gang, zog in jener Zeit den Hass der neuen Herren auf sich, und Karl Heinz hatte deswegen ein paar Tiefschläge einzustecken gehabt, die ihm fast den Mut genommen hätten. An den Besuch einer höheren Schule war nicht zu denken gewesen.

Andererseits war da aber auch der Klang des Spielmannszugs der Jungpioniere, der überraschend aus diesem Dunkel um die Ecke dringt. Wenn es dort auch keinen Platz gab für den Sohn des Klassenfeinds, so ließ man ihn doch Sport treiben, Kajakfahren, später sogar schießen. Es gibt dort eine Kameradschaft, und aus diesen Widersprüchen wird Hoffmann ein Leben lang nicht mehr herauskommen. Nach der Flucht aus der DDR baut er ein Leben als Unternehmer auf.

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(Schloss Almoshof bei Nürnberg nach der Sanierung durch Hoffmann 1971)

Anfang der 70er-Jahre beginnt Hoffmann, sich „politische Bücher“ zu kaufen und jenen Prozess durchzumachen, den klugscheißende Soziologen aus dem Westen in jener Zeit nicht ohne Überheblichkeit eine unvollkommene Politisierung nannten. Der Antikommunismus der Umgebung verbindet sich mit dem Frust über das, was im Fernsehen „Ostverträge“ genannt wird und mit Ideen vom Ende des kapitalistischen Wachstums, die der „Club of Rome“ in die Welt setzt. Der allgemeine Wohlstand und die Tendenzen zu einer chemischen Verklärung der Realität drängen ihm die Idee einer absolut realen Gegenwelt auf zu dem, was sich jeden Tag vor seinen Augen abspielt. Hoffmann neigt aber nicht zu Kompromissen.

Er entwickelt die Vorstellung, zusammen mit jungen Menschen etwas zu schaffen, das sich aus sich selbst heraus versteht, eine Gemeinschaft mit klaren Unterstellungsverhältnissen, stramm auf etwas gerichtet, das es in der Welt um ihn und wohl auch in seinen eigenen Gedanken noch gar nicht gibt. Einige schließen sich ihm an, und man tritt in die faktisch nur auf dem Papier existierende Jugendorganisation der in der BRD nicht verbotenen Frontkämpferorganisation „Stahlhelm“ ein. Das soll das Medium sein, über das sich die Dynamik dieser Gegenwelt entfaltet. Für das Militärische hat sich Hoffmann schon immer interessiert, und die Durchsetzung seines Begriffs vom Schönen ist ihm selbstverständlich.

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(Die ersten Freiwilligen der WSG, 1973)

Man findet nach einigen Monaten des Exerzierens rasch Anschluss an die Medien, schließlich will man wirken und wachsen; aber als es gilt, die Mannschaft für einen Fernsehauftritt vorzubereiten, interveniert plötzlich der Gebietschef des „Stahlhelm“, ein Herr Teute. Und auch ein Herr Lippert ist dabei, als Teute den Jungstahlhelmern auf dem Schlosshof mit Gebrüll den Auftritt verbieten und Hoffmann das Kommando über seine Leute entziehen will. Lippert, der recht umtriebig schon für die sudetendeutschen Landsmannschaften politische Arbeit gemacht hat, war bald dabei gewesen, als sich ein Freundeskreis um die Gruppe gebildet hatte.

Der Finanzbeamte Lippert schließt sich in der hitzigen Szene der Meinung von Teute an. Die meisten Jungstahlhelmer bleiben aber beim „Chef“. Wenige Tage später, als Hoffmann seine eigene Organisation gegründet hat, kommt Lippert mit süßen Worten zurück, entschuldigt sich und sollte sich für die WSG bis zu ihrem Ende engagieren; „unser Spitzel“, das war Lippert für Hoffmann. Auch diese Widersprüche werden ihn nie verlassen.

Die Geschichte, die wir hier erzählen, beginnt mit dem Jahr 1972 und endet in dem Moment, als am 4. November 2011 in Zwickau ein Haus in Flammen aufgeht. Es ist eine Geschichte in zehn Teilen.