Charlotte Knobloch: Keine Lust zur Aufklärung des Oktoberfestattentats?
Juli 2015, München
Mitten im Sommer ringen sich die SZ-Redakteure Stroh und Wetzel dazu durch, einen kleinen Auszug aus einem längeren Interview mit der Präsidentin der Münchner Israelitischen Kultusgemeinde, Charlotte Knobloch, auch online zugänglich zu machen. Der Auszug trägt die sensationelle Überschrift:
Knobloch findet neue Ermittlungen zum Oktoberfest-Attentat überflüssig
Im ersten Moment stutzt der brave Leser; wie meinen? Nichts mit der Aufklärung rechtsradikaler Straftaten? Doch die weitere Lektüre bringt das Ganze in einen leicht fasslichen, oder vielleicht doch nicht so leicht fasslichen, Zusammenhang.
Trotz eines womöglich rechtsextremistischen Hintergrunds hält Charlotte Knobloch wenig von den neuerlichen Ermittlungen zum Oktoberfest-Attentat. „Die Vergangenheit wieder in den Vordergrund zu schieben, finde ich überflüssig“, sagte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. „Man muss schauen, dass das Oktoberfest heute nicht mehr mit solchen Problemen belastet ist.“
Gut, das leuchtet ein. So ein frohes Volksfest muss Jahrzehnte später nicht auch noch mit Erinnerungen an ein grausliches Gemetzel belastet werden. Ganz klar ist es aber dennoch nicht, was da jetzt das Fest so belasten soll; schließlich ist es ja nur womöglich ein rechtsextremistisches Attentat gewesen. Sicher ist man sich am Ende nicht, dass es die Nazis waren. Also besser nicht dran denken.
Dass es in den Achtzigerjahren rechtsextreme Morde und Gruppierungen wie die „Wehrsportgruppe Hoffmann“ gegeben habe, sei doch bekannt. „Da brauche ich mir doch jetzt keine Gedanken mehr machen, ob die am Oktoberfest-Attentat beteiligt war oder nicht“, sagte Knobloch.
Aha, mag sich der Leser einfühlen, die Legende steht ja eh, wieso dann noch näher nachfragen. Wenn man sich eh denken kann, wie es war, und wenn das Wissen genügt, das man sich nützlicher Weise ausdenken kann, dann lieber nicht aufklären. Wer weiß, was dabei herauskommt, wenn die Sache zu genau unter die Lupe genommen wird. Das mit den Nazis ist ja bekannt.
Wahr ist es freilich nicht. Aber das spielt ja keine Rolle.
(Entsetzt: Dr. Schreck)
Wie es sich für gestandene Schmierer gehört, flechten Stroh und Wetzel dann noch ein paar irreführende Scheininformationen in den Text, gleichsam um den Leser darauf hinzuweisen, dass Knobloch da in ihrer sakrosankten Funktion schon recht radikal dahergeredet habe:
Beim größten Terroranschlag in der deutschen Nachkriegsgeschichte starben am 26. September 1980 13 Menschen, 211 wurden verletzt. Die Ermittlungsakten wurden bald geschlossen, die Behörden bezeichneten den ebenfalls getöteten Rechtsradikalen Gundolf Köhler als Einzeltäter.
Fast zu viele Lügen auf einem Haufen. Die Ermittlungsakten wurden überhaupt nicht bald geschlossen, sondern es wurde jahrelang ermittelt. Und dafür, dass Gundolf Köhler ein Rechtsradikaler gewesen sein soll, gibt es keine Beweise. Aber was soll’s.
Wegen zahlreicher Ungereimtheiten und unberücksichtigter Zeugenaussagen nahm der Generalbundesanwalt jedoch vor einem halben Jahr die Ermittlungen neu auf. Im Fokus steht nun vor allem die Suche nach Mittätern und die Frage, ob die Tat Werk eines rechtsextremistischen Netzwerks war.
Der Netzwerkgedanke: Letzte Zuflucht der als Betrüger überführten Pseudoaufklärer; letzter Pfiff aus dem Loch der Verdachtstheorien. Und die Generalbundesanwaltschaft mitten drin. Sauberer Verein. Richtige Nestbeschmutzer, Oktoberfest-Nestbeschmutzer, Umsatzbremsen. Da haut Knobloch einfach den Deckel drauf:
„Abgeschlossene Dinge“ sollte man auf sich beruhen lassen, sagte Knobloch hingegen. „Wir haben genug aktuelle Themen, die es wert wären, vehement an die Oberfläche gebracht zu werden.“
Antisemitische Straftaten zum Beispiel, soll hier wohl mitgedacht werden. Sicher, das wäre eine Möglichkeit. Damit müsste man das saubere Volksfest nicht beschmutzen, die Jugend nicht vergraulen. Und die Nazi-Legende gibt es ja sowieso, dazu braucht man doch keine neuen Ermittlungen. Wozu der Aufwand. Und wozu das Risiko. Bei einer ernsthaften Wiederaufnahme, die natürlich von Seiten der Behörden ohnedies nicht droht, könnte man sich ja um Kopf und Kragen ermitteln.
Wir wollen die Motive der Frau Knobloch nicht kommentieren. Wollen wir hoffen, dass es sich dabei ausschließlich um Motive im Bereich der Sorge für die Umsätze der Oktoberfest-Wirte handelt. Oder um die Hoffnung, dass die Jugend einem ungetrübten Glück entgegen geht, wenn das Oktoberfest gelingt.Â
Sauber.