powered by

Quatsch für Mutter Helga: Das Manifest

Schloss Ermreuth, Oktober 2015

Rainer Fromm kündigt in seiner Dissertation großspurig eine ideologische Analyse der WSG an, ein Unterfangen, das schon vom theoretischen Ansatz und der Auswahl der Unterlagen her hoffnungslos falsch ist, wie im Folgenden zu zeigen sein wird.

Im vorliegenden Kapitel analysieren wir programmatische Texte der WSG, die ihr Selbstverständnis und das Bild, das sie von sich zeichnet, deutlich machen, sowie weitere Zeugnisse, die die Denk- und Vorstellungsstrukturen der Gruppe reflektieren.

Die Weltanschauung der Wehrsportgruppe Hoffmann erschließt sich aus zahlreichen schriftlichen Dokumenten wie dem sogenannten „1. Manifest der Bewegung zur Verwirklichung der Rational Pragmatischen Sozialhierarchie“ und mündlichen Äußerungen, darunter Vorträge Karl-Heinz Hoffmanns oder Apelle die er vor seiner Truppe abhält.

(Rainer Fromm: Die Wehrsportgruppe Hoffmann, S. 73)

Es ist grundfalsch, wenn Fromm mein persönliches Weltbild als Weltanschauung der WSG bezeichnet. Er folgt damit der zweckgerichteten Sichtweise des damaligen Innenministeriums. Was in der Verbotsverfügung stand, war nicht etwa das Ergebnis von behördlichen Ermittlungsverfahren, sondern der Extrakt geheimdienstlicher Berichte, deren Wahrheitsgehalt noch nicht einmal für den damaligen Innenminister überprüfbar war. Er musste den Berichten vertrauen, die vom Verfassungsschutz erstellt worden waren und der wiederum orientierte sich an den größtenteils unwahren, verfälschten und nicht selten frei erfundenen Berichten seiner Nachrichtenzuträger.

Die tatsächlich unzutreffende Gleichsetzung meiner persönlichen gesellschaftspolitischen Gedanken mit der WSG-Organisation war für das politische Establishment im Hinblick auf die politisch gewollte Durchsetzung eines Verbotes unabdingbar. Also wurde sie einfach unterstellt. Denn was hätte man der Wehrsportgruppe sonst anlasten können? Die WSG-Hoffmann hatte sich in den Jahren ihres Bestehens durchweg gesetzestreu verhalten. Das WSG-Personal verfügte weder über ein eigenes spezielles politisches Programm noch über eine gleichgeschaltete politische Gesinnung.

fromm_verdiente_schlafmütze_des_volkes_zipfihaum

(Christkind des ZDF und Schundproduzent: Rainer Fromm)

Das 1974 in meinen Privaträumen im Schloss Almoshof sichergestellte Manifest spiegelte mein eigenes Denken wieder. Es gab Einblick in meine Sicht auf das Weltgeschehen, aber ich hatte es niemals unternommen meine Ideen auf die WSG-Männer zu übertragen. Tatsächlich war das Manifest, welches ja angeblich das Programm der WSG gewesen sein sollte, unter den WSG-Mitgliedern überhaupt nicht bekannt und die Inhalte waren im Rahmen von WSG-Veranstaltungen niemals zur Sprache gekommen.

Wie hätte es also das Programm der WSG sein können?

Sehen wir uns das Manifest genau an.

MANIFEST

Präambel: 

Wir haben jedes Vertrauen in die bisher der Welt angebotenen Ideologien, Staats- und Wirtschaftsformen verloren. 

Wir verlangen deshalb Platz für neue, unserer Zeit angemessene Formen.
Wir verlangen ein System der wissenschaftlichen Planung und der Vernunft.
Alle Lebensbereiche dieser Erde beherrschen entweder rote Funktionärsgruppen, Zyniker der Macht, oder korrupte Marionettenregierungen der internationalen Hochfinanz. Den Rest regieren feudale Bonzen meist im Einklang mit religiösen Fanatikern. 

Da sich die, seit dem Ende des 2. Weltkrieges dominierenden ideologischen Weltbilder als unzureichend und ihre sich wechselweise in die Macht teilenden politischen Cliquen seit langem den Problemen der Menschheit gegenüber als nicht gewachsen gezeigt haben, sind wir entschlossen uns zu organisieren. Mit dem Ziel, eine radikale Veränderung der Gesamtstrukturen in allen Bereichen herbeizuführen.
Wir sind uns darüber im Klaren, dass politische Ziele niemanden in den Schoß fallen, sondern dass sie immer erkämpft werden müssen. 

Je höher das Ziel, umso größer die Opfer. 

Im Hinblick auf diese Erkenntnis sind wir bereit, alle unsere Kräfte für unsere Überzeugung einzusetzen. 

Bürger dieses Landes, wir sind bereits unter euch, sichtbar und doch unsichtbar.
Wir kämpfen nicht für uns, sondern für euch, deshalb erwarten wir künftig eure moralische Unterstützung.

Als der Text der Präambel zu Papier gebracht wurde, existierte die Wehrsportgruppe Hoffmann noch nicht. Noch nicht einmal als Idee oder Vorsatz. Die Formulierungen: „Sind wir bereit, wir sind bereits…, wir kämpfen nicht für uns…und erwarten wir künftig…“ können deshalb nicht auf die WSG gemünzt sein.

Das Manifest war mit einem deutlichen Hinweis auf die Urheberschaft gekennzeichnet. Links oben auf dem Papier stand: „Planungsgemeinschaft zur Verwirklichung der Rational Pragmatischen Sozialhierarchie.“

Wer wollte behaupten, die Wehrsportgruppe Hoffmann sei eine wissenschaftliche Planungsgruppe gewesen? Weiter im Text:

PROGRAMM

1. Ideologisches Fernziel ist ein weltweiter Zustand der Stabilität im Allgemeinen und im biologischen Sinne im Besonderen.

2. Praktische Ziele für die nahe Zukunft, das heißt für die nächsten Jahrzehnte:
Bildung eines in allen Bereichen ausgewogenen, stabilen, zentral gelenkten sozialen Staatswesens als Kernzelle und Ausgangspunkt weiterer, diesem Modell folgenden Staaten, im Hinblick auf die Möglichkeit eines späteren friedlichen Zusammenschlusses dieser zu einem, den idealen Bedingungen wenigstens nahe kommenden Staatenbundes mit gemeinsamer Verwaltung.

3. Zum Ausgangspunkt des unter 2 beschriebenen Vorhabens eignet sich grundsätzlich nahezu jeder beliebige Nationalstaat Europas.

4. Da die Idee in Deutschland entstand und zumindest am Anfang in der Mehrheit von Deutschen vertreten wird, außerdem Deutschland zurzeit das immer noch wirtschaftlich gesündeste Land innerhalb Europas ist, konzentrieren sich unsere Bemühungen auf den deutschen Lebensraum.

5. Da grundlegende Änderungen der gesamten Konstellation der äußeren Umstände in den nächsten Jahren nicht auszuschließen sind, kann es notwendig werden die Bemühungen auf einen anderen Punkt Europas etwa England, Italien oder Frankreich zu konzentrieren.

6. Zur Erreichung des rational pragmatischen Zustandes in Europa ist es zweckmäßig und daher unser Ziel die gewachsenen Kulturen und Traditionen der einzelnen nationalen Staaten zu erhalten. Von der Überzeugung geleitet, dass Kultur auf die Dauer ohne den geographischen Raum auf dem sie sich natürlich entwickelt hat und der sie trägt undenkbar ist, muss unsere Sorge der Wahrung und Sicherung des überkommenen geographischen Besitzes der einzelnen europäischen Kulturnationen gelten.

7. Im besonderen gilt dies für Deutschland, da hier die Auflösung der Nation und der Zerfall der deutschen Kultur mit der Zerstückelung des Deutschen Lebensraumes von seinen politischen und ökonomischen Gegnern bewusst eingeleitet und von den deutschen Interessengruppierungen gegensätzlicher Art systematisch fortgesetzt wird.

8. Die Rational Pragmatische Sozial Hierarchie ist eine zweckbezogene vernunftgemäße, der Volksgemeinschaft dienende Staatsform mit freiheitlicher Grundordnung und einer nach dem Leistungs- und Selektionsprinzip ausgerechneten Führerstruktur.

9. Das Wahlsystem als Methode, geeignete Führungskräfte für den Regierungsapparat zu finden, wird durch ein Selektionsverfahren nach den Grundsätzen des Leistungsprinzips und des Leistungsnachweises ersetzt.

10. Die Regierungsgewalt geht von einer in der obersten Führung zusammengefassten Gruppe aus. Innerhalb dieser Gruppe findet laufend, nach einem genau festgelegten Zeitplan ein Wechsel der Mitglieder statt und zwar in der Weise, dass nicht die ganze Gruppe abtritt, sondern immer nur ein Teil ausscheidet. Die Ausscheidenden werden durch neue Personen laufend ersetzt.

Auf diese Weise ist es möglich, sorgsam ausgesuchte und ausgebildete Fachkräfte relativ lange in der Führungsgruppe zu behalten, ohne dass eine übermäßige Gefahr des Missbrauchs der selbstverständlich konzentrierten Macht zu befürchten ist.

11. Die Mitglieder der Regierung sind anonym. Öffentlichkeitsarbeit und Personenkult sind ausgeschlossen.

12. Die Wirtschaftsform ist eine Kombination staatlicher und privater Unternehmen mit abgegrenzten Bereichen unter staatlicher Gesamtplanung und Kontrolle, mit Betonung der Förderung, der Erhaltung und des Schutzes der Privatinitiative und des privaten Besitzes. Der Schutz des privaten Eigentums und der privaten Unternehmen bezieht sich gleichermaßen auf die Sozialisierungsbestrebungen marxistischer Gruppierungen wie auch auf die Konkurrenzliquidierung durch die Monopolgiganten.

13. Schlüsselindustrien und Großbanken werden ausschließlich staatliche Unternehmen. Verarbeitende Industrie wird die gesicherte Domäne privaten Unternehmertums bleiben.

14. Die das Eigentum an Grund und Boden regelnden Gesetze sind so zu ändern, dass Spekulation und Wucher ausgeschlossen werden, damit das Eigentum an Boden einer größeren Schicht der Bevölkerung zugängig wird.

15. Nachrichten ist der Charakter einer Handelsware zu nehmen.

16. Als uneigennützige Institutionen getarnte, gemeinschaftskapitalistische Unternehmen wie Gewerkschaften und Kirche sind zu entmachten.

17. Das wirtschaftliche und biologische Wachstum muss durch geeignete Verordnungen und entsprechende Kontrollen auf ein möglichst optimales, oder wenigstens auf ein für die Allgemeinheit erträgliches Maß gebracht dauernd gehalten werden.

18. Entwicklungshilfe wird ausschließlich in einer Form geleistet, die sowohl dem Spender als auch dem Empfängerstaat nützlich ist und zusätzlich den Fortbestand der Menschheit allgemein sichern hilft. Entwicklungshilfen mit gegenteiliger Auswirkung sind einzustellen.

19. Untragbare politische und finanzielle Verpflichtungen, insbesondere solche, die über die europäischen Partnerschaften hinausgehen, sind rückgängig zu machen.

Es kann Fromm zu lang geworden sein; wir wissen es nicht. Und jedermanns Sache ist es nicht, sich für eine Dissertation ein Bein auszureißen.

Aus heutiger Sicht drängt sich natürlich die Frage auf, was dieses Manifest mit dem Nationalsozialismus zu tun haben könnte. Sieht man von der Anwendung verschwurbelter Faschismustheorien ab, mit denen man Hinz und Kunz ganz nach Bedarf zum Nazi machen kann, ist von „Neonazi” nichts zu sehen.

Haben sich die Nationalsozialisten für einen weltweiten Zustand der Stabilität interessiert? 

Ist der Wunsch, die europäischen Nationalstaaten auf friedlichem Wege in ein einheitliches Gesamt-Europa umzuwandeln ein nationalsozialistischer Programmpunkt? 

Ist der Wunsch nach friedlicher, freiwilliger Vereinigung mit Unterwerfung gleichzusetzen? 

Ohne Titel

(Nachrichten als Handelsware: Oliver Schröm und Ullrich Chaussy)

Der friedliche Zusammenschluss der europäischen Völker in der Europäischen Union unterscheidet sich von meiner Vorstellung vom vereinten Europa nur dadurch, dass die in der EU herrschenden rechtlichen und wirtschaftlichen Bedingungen weder vollkommen einheitlich noch ideal sind. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die Abhängigkeit vom außereuropäischen, global vagabundierenden Kapital.

Ist parteiunabhängige Selektion der zum Regieren vorgesehenen Führungskräfte, bei gesetzlich vorprogrammiertem ständigen Wechsel der Personalstruktur, nationalsozialistisch? 

Zugegeben, die parteiunabhängige Bestimmung der Funktionsträger des Staatswesens ist nicht vereinbar mit dem Grundgesetz, deshalb darf diese Forderung auch nicht aggressiv vorgetragen werden. Doch ist sie deshalb moralisch verwerflich? Oder gar nationalsozialistisch?

Ist das für die Führungsgruppe der Regierung vorgeschriebene Rotationsprinzip nationalsozialistisch? 

Was hätte Adolf Hitler wohl vom Rotationsprinzip gehalten? Und wären seine Gefolgsleute Himmler, Göring und Göbbels einverstanden gewesen, wenn Sie nach einem genau festgelegten Zeitablauf zum Abtreten genötigt worden wären?

Wäre etwa ein Staat nach dem Muster des Dritten Reiches ohne Personenkult denkbar? 

tumblr_n1xninTiOG1rtynt1o1_1280 (1)

(Ausgeburt des modernen Wahlurnen-Fetischismus: Wahlwerbung für Benito Mussolini, 1938)

Wäre es denkbar, dass die Gallionsfiguren des III. Reiches auf den Personenkult verzichtet hätten?

Haben die Nationalsozialisten die Banken und die Schlüsselindustrie verstaatlicht? 

Unter anderem besteht der stereotype Vorwurf der Linken darin, zur Zeit des III. Reiches die Banken und die Schlüsselindustrien als Bollwerke des Kapitals nicht entmachtet zu haben. Wie könnte die Forderung nach Verstaatlichung der kapitalistischen Bollwerke nationalsozialistisch sein?

Wurde im Dritten Reich eine Bodenreform propagiert? Die Nationalsozialisten haben nach ihrer Machtübernahme in die Besitzverhältnisse hinsichtlich materieller Güter nicht eingegriffen.

Haben die Nationalsozialisten die Kirche entmachtet, oder sind sie mit den reaktionären Kräften ein Zweckbündnis eingegangen? 

Haben die Nationalsozialisten kontrollierte, biologische und wirtschaftliche Wachstumsbegrenzung und Konsolidierung nach Erreichen der optimalen Situation gefordert? 

Wer wollte behaupten, die Begrenzung des Wachstums wäre ein Programmpunkt der Nationalsozialisten gewesen?

Hatten die Nationalsozialisten ein Entwicklungshilfeprogramm für unterentwickelte Länder außerhalb Europas?

Ich warte darauf, dass mir jemand zu erklären versucht, an welcher Stelle in meinem zukunftsorientierten Programm von 1973 national-sozialistisches Gedankengut erkennbar sein soll…

Und an welcher Stelle ist von gewaltsamen Veränderungen die Rede?

Ernsthaftes inhaltliches Interesse an diesen Fragen hat Fromm in seiner Dissertation nicht gezeigt. Er soll endlich seinen Doktortitel zurückgeben, sonst verfilmen wir sein schlechtes Gewissen, und diese Drohung ist ernst gemeint.

(Eine Kolumne bis Weihnachten von Karl Heinz Hoffmann über die Mängel der Dissertation von Rainer Fromm; redaktionelle Bearbeitung, Bildgestaltung und Bildunterschriften von der Redaktion)

 

2 Gedanken zu „Quatsch für Mutter Helga: Das Manifest“

  1. Waaas? Fromms Doktorspiele werden verfilmt?

    Das kann nur eine Komödie werden.

    Titelvorschlag: Der große Doktator.

  2. Rudolf Brettschneider sagt:

    ja, lieber Anmerker, die Verfilmung steht an…

Kommentare sind geschlossen.