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Traum und Untergang der Wehrsportgruppe Hoffmann V: Ein verhängnisvolles Verbot

Villa in Heroldsberg, Morgen des 30. Januar 1980

Im Halbschlaf nimmt Hoffmann, wie er später sagen wird, „etwas Unfriedliches“ an Geräuschen wahr. Es ist irgendwann zwischen fünf und sechs Uhr morgens und noch dunkel. Plötzlich geht alles sehr schnell; Türen krachen und splittern. Das Unfriedliche kommt näher und die Lebensgefährtin schläft. Offenbar hat man die Wachen im unteren Teil des Gebäudes überwältigt.

Nackt wie er ist, schlüpft Hoffmann in eine Unterhose, schnappt seinen am Nachtkästchen liegenden geladenen Revolver und geht am Fußende des Bettes in Deckung. Zu Tode erschrocken zieht sich Franziska die Decke über den Kopf.

Lichtkegel bestreichen von außen die stockdunklen Fenster; Hoffmann entschließt sich dazu, seine Waffe in Richtung Schlafzimmertür auf Kopfhöhe zu richten. Der Eindringling, wer immer er auch sei, wird sich mit dieser Abwehr auseinander setzen müssen.

(Hoffmann erinnert sich an die Razzia vom 30.1. 1980; Vortrag in Hausdorf/Colditz aus dem Jahr 2010)

Die Schlafzimmertür platzt auf. Der Suchscheinwerfer der Polizeikamera, die das Sondereinsatzkommando mitführt, fixiert das Kopfkissen an Hoffmanns Schlafplatz. Hoffmanns Revolver ist auf die Stirne des ersten Polizisten gerichtet. Die Polizisten sind überrascht und Hoffmann ruft sie an. Maschinenpistolen ragen zwischen den Beamten hervor.

Nachdem sich die lebensgefährliche Situation durch die Übergabe von Hoffmanns Waffe zumindest einseitig entspannt hat, wird man gegenüber Franziska übergriffig, und Hoffmann rast vor Wut. Man fesselt ihn und will ihm ein Schriftstück, die Verfügung des Vereinsverbots der WSG, übergeben. Hoffmann winkt ab und macht, auch zu seiner eigenen Beruhigung, von seinem Recht Gebrauch, die Toilette aufzusuchen.

In dem engen Raum, der ihn jetzt vor den anderen und vor sich selber schützt, versucht Hoffmann kurz zur Besinnung zu kommen.

Warum hat man ihm das Schriftstück nicht per Post zukommen lassen, zur Not mit einem Gerichtsvollzieher?

Warum hat man alles mit einer Kamera aufgezeichnet und die Situation trotzdem ohne Not so zugespitzt?

Wie konnte es so weit kommen?

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(Von Hoffmanns Grundstück wird ein alter Schützenpanzer Typ Hotchkiss abtransportiert)

Sicher, dem Verbot waren jahrlange Rechtsstreitigkeiten und ein wachsender behördlicher Zorn gegen die WSG vorausgegangen. Immer wieder hatte man versucht, der WSG mit dem Versammlungsgesetz am Zeug zu flicken, die Anscheinwaffen waren eingezogen und untersucht worden, ohne rechtlich relevante Ergebnisse. Irgend etwas war den Oberen zu viel geworden; irgendwo in einer Behörde waren sich seine Feinde gegen Hoffmann einig geworden.

Noch Jahrzehnte später sollten sich die Verantwortlichen für das Verbot der WSG rechtfertigen, insbesondere der damals zuständige Bundesinnenminister Gerhart Baum. Baum wird in dieser Rechtfertigung, die nach außen als eine Erzählung vergangener antifaschistischer Heldentaten aufgemacht ist, insbesondere ins Treffen führen, Hoffmann habe mit seinen „Thesen“ die Jugend verführt und schließlich einen Zusammenschluss gefährlicher Menschen organisiert, die durch den Zusammenschluss gar noch gefährlicher geworden seien.

(Gerhart Baum erläutert seine Verbotsgründe, Interview aus dem Jahr 2014)

Ein wenig sollten Baums Augen flackern und suchen bei dieser Erklärung; schließlich kann er froh sein, dass seine Zuseher Hoffmanns politisches Thesenpapier, das er niemals vor den Männern der WSG vorgetragen, ja vor ihnen verschlossen hat, nicht kennen. Dort ist die Rede von der deutschen Wiedervereinigung, der europäischen Einigung, einer starken staatlichen Bankenaufsicht oder gar Verstaatlichung des Finanzkapitals und von Expertenregierungen.

Wenn Hoffmann also, wie Baum behaupten sollte, „mit allem, was er angestrebt hat“ gegen die Verfassung verstoßen hätte, dann hätte die Politik der BRD dies bis heute konsequent in die Tat umgesetzt. Andere rechtsbedenkliche Aspekte des damaligen Vereinsverbotes, wie zum Beispiel der Bezug auf eine Nähe der WSG zu damals nicht verbotenen Organisationen oder falsche Zitate aus Hoffmanns Schriften, werden in Baums Stellungnahme nicht thematisiert.

Strafrechtliche Folgen sollte das Verbot der WSG nicht haben.

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(Öffentliche politische Veranstaltung Hoffmanns, 1979)

In dem engen dunklen Raum, der Toilette von Heroldsberg, kommt Hoffmann freilich bald auch der Gedanke, dass man die WSG aus ganz anderen als rechtlichen Gründen verboten haben muss. Jetzt ist die WSG Geschichte, das ist ihm klar; das Jahr 1979 hatte aber eine Reihe von politischen Veranstaltungen jenseits der WSG gebracht, in denen er als Redner bestimmte für die Obrigkeit peinliche Fragen angesprochen hatte. Die Veranstaltungen waren gut besucht gewesen, und man hatte sich kein Blatt vor den Mund genommen. Die Auflösung der WSG und eine politische Tätigkeit waren längst geplant.

Vielleicht war es das. Es ist der 30. Januar 1980.