Traum und Untergang der Wehrsportgruppe Hoffmann VII: Das Oktoberfestattentat
26. Oktober 1980, Schloss Ermreuth
Es ist früher Abend, und Karl Heinz Hoffmann wartet. Wo bleibt der letzte Fahrer? Er war doch sonst ein zuverlässiger Kerl. Die anderen Leute sind schon längst da, man will aufbrechen, nach Neuburg an der Donau, wo die instandgesetzten ausrangierten Fahrzeuge der Bundeswehr für den Export in den Libanon übernommen werden sollen. Man will sie per Achse nach Jugoslawien bringen, zur Fähre Richtung Syrien.
Die Fahrzeuge sind für die Fatah bestimmt. Man hat Hoffmann den Kfz-Export als Möglichkeit der Finanzierung seiner kleinen Kampfgruppe dort angeboten. Die Aktion soll ohne Beteiligung desjenigen Mannes über die Bühne gehen, der Hoffmann in den Libanon gelockt hat. Udo Albrecht sitzt in diesem Herbst 1980 bereits in der JVA Bochum ein.
(Der Terrorist und Spitzel Udo Albrecht)
Über die ursprünglich geplante Abfahrtszeit der Fahrer und die Vorbeifahrt an München am Abend weiß der Spitzel Franz Lippert bescheid; tatsächlich tauchen diese Zeiten einen Tag später in einem Aktenvermerk der Polizei als Tatsachenbehauptung auf: „Hoffmann befand sich zum Zeitpunkt der Detonation auf der Höhe Chiemsee.“ Durch die Verspätung des jetzt hektisch eintrudelnden letzten Fahrers und die darauffolgenden Ereignisse kommt aber alles ganz anders; das fälschliche Wissen der Polizei wird zum Beweis für die Verstrickung der Dienste in das Verbrechen.
Walter Ulrich Behle, Spitzel und Provokateur diverser Geheimdienste und investigativer Zeitschriften, hat sich wenige Wochen zuvor bei Hoffmann eingeführt und will den Kraftwagentransport mitmachen; er sollte später wilde Geschichten über seine Teilnahme an der Fahrt verbreiten. Hoffmann lässt die Leute jetzt nach Neuburg an der Donau fahren, entschließt sich aber im letzten Moment, den Abend in Nürnberg zu verbringen und eine Disco aufzusuchen. Er kommt nicht mit.
Zur gleichen Zeit entspinnt sich im Raum München eine Intrige, die mit einem Explosivkörper und einem jungen Mann aus Donaueschingen zu tun hat. Die Intrige kommt aus einer Finsternis, die der Staat, so lange er herrschen will, den Menschen nicht erhellen wird. Wie eine zerrissene Puppe wird Gundolf Köhler am Ende auf der Teresienwiese liegen; noch Jahrzehnte später muss die Täuschung, der totale Beschiss der Öffentlichkeit die letzte Redaktionsstube in der Provinz beherrschen. Das Allerheiligste des Staates, ein dunkles Herz, Blut der Unschuldigen als Treibstoff einer furchtbaren Maschine.
Wehe dem, der die Stimme dagegen erhebt.
Wenn Hoffmanns Männer in Neuburg ankommen, herrscht dort Ärger über technische Mängel an einem Unimog. Der Wagen will nicht, es ist wie verhext. Über Stunden versucht der treue Anton Pfahler noch, den Wagen in Schuss zu bringen, aber es hilft nichts. Die Kolonne muss auf Pfahlers Anwesen Halt machen; die Weiterfahrt kann erst am kommenden Morgen erfolgen.
(Heutige Route von Neuburg an der Donau nach Salzburg; 1980 waren die Autobahnen noch nicht voll ausgebaut)
Im Herbst 1980 gibt es noch keine Mobiltelefone, und in Bayern am Land sind die Telefonzellen nicht eben dicht gesät. Auch der sympathische Postler Behle vermag es nicht mehr, sich vom Trupp zu entfernen und seine Herren von der unerwarteten Verzögerung zu verständigen.
Als es dunkel wird, ist Wachablöse im Lager Bir Hassan. Kommandant Leroy Paul hat die Wache instruiert. Dienst wie üblich. Odfried Hepp und seine Kameraden aus dem Ortenaukreis sitzen unweit in einem Gefängnis der PLO ein. Der „Chef“ ist nicht da; das macht die Sache nicht leichter. Aber an diesem Abend bleibt es weitgehend ruhig.
In dem Moment, in dem die Bombe auf der Teresienwiese explodiert, befindet sich Hoffmann in einer Nürnberger Disco, die Leute vom Kfz-Konvoi nächtigen in Neuburg und im Lager Bir Hassan rührt sich gar nichts.
Die kommenden Tage bringen die Festnahme Hoffmanns auf Ersuchen des Generalbundesanwalts, der kurz darauf die Freilassung folgt, die Festnahme der Männer des Fahrzeugkonvois, der noch vor der österreichischen Grenze gestoppt wird, und eine Medienkampagne. Generalbundesanwalt Rebmann posaunt eine Verwicklung der Wehrsportgruppe Hoffmann aus.
Rebmanns Einflüsterer wissen, warum sie den Verdacht auf Hoffmann lenken und noch Jahrzehnte später Sand in die Augen der Menschen streuen.