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Von der Lüneburger Heide bis Piatto: Die Eskapaden der CIA-Kasper Hagen und Fiebig

Herbst 1982, Langley und Berlin

Als im Sommer 1982 kleine Diskussionen im US-Kongress bezüglich eines möglichen Teilabzugs der Besatzungstruppen in Südwestdeutschland aufkommen, bildet sich in der BRD auch eine kleine antiimperialistische Terrorgruppe, die später unter der Bezeichnung „Hepp-Kexel-Gruppe“ eine gewisse kurzlebige Bekanntheit erlangt. Nach der Ansicht eingefleischter Desinformanten kontrolliert die Stasi diese nur scheinbar rechtsradikale terroristische Gruppe; tatsächlich liegen die Dinge vollkommen anders. Dass sich ein Mitglied dieser Gruppe zum IM erklären lässt und in der Freizeit gern die Hemden der FDJ trägt, wirkt sich auf die Aktivitäten der porschefahrenden Querfront-Männer um Walter Kexel im Vergleich zum Einfluss der CIA eher gering aus, wie im Folgenden zu zeigen ist.

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(Anklageschrift gegen Dieter Sporleder, 1984)

Diese Ansichten der Bundesanwaltschaft sind – wie immer bei diesem Sauhaufen – nur sehr bedingt richtig. Tatsächlich war die Initiative zum „GI-Sprengen“ nicht von Kexel selber, sondern von anderen Leuten ausgegangen, wie heute noch lebende Mitglieder der Gruppe bestätigen. Im Zentrum der Anstiftung zur Verbrennung von US-Soldaten stand nämlich ein hinlänglich bekannter V-Mann des West-Berliner Verfassungsschutzes, der Teilzeit-Spießer, „rechtsradikale“ Bohemien und NPD-Funktionär Andreas Hagen aus Steglitz.

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(Anklageschrift gegen Dieter Sporleder, 1984)

Dieser Hagen hatte seine Funktion in der NPD trotz einer unheilbaren Abneigung gegen die kruden politischen Ideen der Nationaldemokraten dazu genutzt, Flüchtlinge und Umsiedler aus der DDR für das nationale Milieu und den Verfassungsschutz zu werben.

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(Vernehmung Henry Fiebig, 1983)

Die Anwerbungserfolge von Hagen wurden rasch für operative Maßnahmen genutzt; im Fall der Kexel-Gruppe diente der Ostflüchtling doch glatt als Sympathieträger für die Beeinflussung einer „Terrorgruppe“. Dass Fiebig zu Höherem berufen sein sollte, konnte vielleicht auch Hagen im Herbst 1982 noch nicht ahnen. Seine Dienstgeber im CIA-lastigen West-Berliner Verfassungsschutz werden da vielleicht schon weiter gedacht haben.

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(Anklageschrift gegen Dieter Sporleder, 1984)

Zweiter im Bunde derjenigen, die die Kexel-Gruppe bei einem Treffen in der Lüneburger Heide mit den Grundlagen des Terrorismus vertraut machen sollte, war also ein gewisser Henry Fiebig, der genauso wie Hagen selbstverständlich den besonderen Schutz der Bundesanwaltschaft genoss, als es später vor Gericht ans Eingemachte ging. Trotz intensiver Gespräche über das Abbrennen von US-Soldaten und einer Terror-Unterweisung im Zeltlager nahe Lüneburg bemühte sich der Sachbearbeiter des Bundesanwaltschaft-Sauhaufens um eine sorgfältige Salvierung der beiden:

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(Anklageschrift gegen Dieter Sporleder, 1984)

Hagen, der später wie vom Erdboden verschluckt war, und Fiebig, der in den kommenden Jahrzehnten eine Karriere als straffreier Terror-Anstifter bis hin zur Beeinflussung von Piatto und Nick Greger durchlief, hatten nach Ansicht der Bundesanwaltschaft selbstverständlich keine Mordpläne kommuniziert. Das musste natürlich in der Anklageschrift gesondert vermerkt werden.

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(Anklageschrift gegen Dieter Sporleder, 1984)

Später, vor Gericht, als man die Leute um Kexel mit drakonischen Freiheitsstrafen bedachte, war dieser Fiebig natürlich auch nicht mehr in Steglitz in der Straße Unter den Rüstern 11 ansässig sondern an einer Adresse in Kassel, die er niemals gesehen hat.

Bei all dem ist es fast überflüssig, darauf hinzuweisen, dass dieser Fiebig (der nicht wie Hagen das Zeug zum taz-Redakteur hatte) in den 90er-Jahren für seine strafbaren Schriften („Eine Bewegung in Waffen“) und seine terroristischen Aktionen trotz umfangreicher Ermittlungen der Bundesanwaltschaft straffrei ausgegangen ist. Freilich hatte er Bilder geliefert, die in den 90er-Jahren behördlich gewünscht waren, fast so etwas wie eine Blaupause für den NSU-Kram.

Dass er persönlich den Piatto instruiert und sich in Königs-Wusterhausen wichtig gemacht hat, sei am Rande vermerkt.

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(Blaupause aus den 90ern; Fiebigs Waffendepot. Quelle: Ehemaliges Nachrichtenmagazin. Zitat aus dem betreffenden Artikel von 1997 (!): Nachdenkliche Verfassungsschützer wie etwa in Nordrhein-Westfalen fürchten, dass ein allzu scharfer staatlicher Druck die Neigung von Neonazis zu Gewalttaten eher fördert als dämpft. „Noch haben wir keine terroristische Vereinigung von rechts“, sagt ein Geheimdienstler im Düsseldorfer Innenministerium, aber wir könnten bald eine haben.“)

Der Verfassungsschützer und Bombenanstifter Hagen war im Februar 1983 nachdenklich geworden, nachdem ein gewisser Herr Fraas seine Schlüssel zur konspirativen Wohnung „Giovanni“ vergessen und seine Brandbomben unter den Fellsitzen der US-Soldaten doch nicht gezündet hatte. Die Instruktionen in der Lüneburger Heide hatten Früchte getragen, wenn Hagen auch aus dem Umfeld der Gruppe verschwinden hatte müssen.

Nun hieß es für Hagen, den CIA-Menschen, eine halbwegs glaubwürdige Legende zum Untertauchen zu spinnen. Das war alles zu heiß geworden; einige US-Soldaten waren allen Ernstes schwer verbrannt (nicht getötet) worden, und Hepp war im Osten. Ein Herr Hagen hätte in einer solchen Situation mit allem rechnen müssen, von der US-Militärpolizei (die ja die CIA nicht immer leiden kann) bis zu deutschen Dorfpolizisten oder einer Aktion der Stasi; Hepp war in der DDR, wie sein Dienstgeber gewusst haben wird.

Was macht also der Herr Hagen? Er nimmt den Henry Fiebig ins Schlepptau und täuscht eine Flucht nach Österreich vor. Auch das ganz gut legendiert.

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(Vernehmung Fiebig, 1983)

Natürlich ist das alles gelogen, und es ist erkennbar gelogen, selbst für den Fiebig zu jener Zeit. Dass Fiebig hier nicht näher nachgefragt hat, mag mit seinem besonderen Schutz durch die Bundesanwaltschaft zu tun haben. Wir wissen es nicht. Aber einen Hagen bei seiner „Flucht“ über die grüne Grenze nach Salzburg kann auch die deutsche Polizei nicht aufhalten.

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(Vernehmung Fiebig, 1983)

Nach gescheitertem Grenzübertritt und überstandener Verhaftung übernachtet Hagen mitsamt dem Fiebig im Hotel. So gehört es sich für einen gesuchten Terroristen, der 10 Jahre später bei der taz als Redakteur anfängt. Nach seltsamen „Geldfunden“ in bayerischen Wäldern schlagen sich die beiden CIA-Kasper noch nach Holland durch, wo Hagen dann plötzlich verschwindet.

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(Vernehmung Fiebig, 1983)

Im Ergebnis ging Fiebig straffrei aus, hatte einen neuen „Wohnort“ weg vom hässlichen Steglitz und Hagen war endgültig untergetaucht. Der arglistige Sprengstoffablader Fraas kam vergleichsweise milde davon und ist bis heute im Zeugenschutzprogramm.

Wir fassen zusammen: Der West-Berliner Verfassungsschützer und CIA-Mensch Andreas Hagen nutzt seine Stellung als NPD-Funktionär dazu, junge Ostflüchtlinge für die Nationalen und für den Geheimdienst zu werben. Er greift sich den Henry Fiebig und stiftet die Kexel-Leute in der Lüneburger Heide zum Verbrennen von GIs an. Die weiteren Instruktionen übernimmt Fraas. Hagen taucht ab, um später taz-Redakteur zu werden, bevor er zurück in die USA geht.

Fiebig geht zurück an die Front und gründet straffrei Terrorgruppen, die im Spiegel breit getreten werden; er verfasst die strafbare Schriftenreihe „Eine Bewegung in Waffen“, wird aber nicht bestraft und gibt 1997 zur Befürchtung Anlass, dass kurze Zeit später eine „Braune Armee Fraktion“ entstünde. Pressewirksam lässt er sich 1998 von dem mutigen Polizisten Michael E. im Alleingang verhaften und in dessen privatem Opel zum LKA nach Berlin mitnehmen. Er beeinflusst die Idioten um Piatto in Königs Wusterhausen und geht schließlich in Rente.

Eine burleske Organisation, diese CIA.

 

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