Verfassungsschutz abschaffen? Sicher doch!
Mai 2015, Schloss Ermreuth
Bei der Erörterung dieser Frage haben wir mehrere unterschiedliche Ebenen zu bedenken:
Erstens wofür brauchen wir ihn? Zur Gewährleistung der Einhaltung der verfassungsrechtlich vorgegeben Gesetze und damit zum Schutz des Staates vor Zersetzung und Zerstörung?
Einen Auslandsaufklärungsdienst braucht der Staat nicht, wenn er neutral ist, aber eine Behörde zum Schutz von inneren Feinden braucht er. Das muss jedem Staatsgebilde, gleich welcher Konstitution zugebilligt werden. Die Staatsgewalt bezieht ihre Berechtigung zur Herrschaft aus der Pflicht, das Staatsvolk vor jeglicher Gefahr zu schützen. Das kann sie aber nur leisten, wenn sie drohende Gefahren erkennen kann. Das wiederum ist nur möglich, wenn ein geheim arbeitender Behördenapparat vorhanden ist, denn der Staatsfeind wird in der Regel nicht, oder wenigstens nicht ohne eine konspirative Vorbereitungsphase offen gegen den Staat vorgehen.
Soweit gut. Doch es ist weder notwendig noch rechtsstaatlich zu rechtfertigen, dass die geheim arbeitende Staatsschutzbehörde mit gesetzwidrigen Mitteln und Methoden arbeitet.
(V-Mann, dass die Sau graust: Herr „Nöldner“ – ganz links – als Gast bei einer Veranstaltung Hoffmanns, 1978)
Nehmen wir einmal als Beispiel die gesetzliche Struktur der in der Bundesrepublik installierten Staatsform der parlamentarischen Demokratie. Der erste Verfassungsgrundsatz lautet: Alle Macht im Staate geht vom Volke aus. Das ist nur in der Theorie aber in der Praxis nicht gegeben, denn tatsächlich geht die Macht auf dem Wege der geheimen Einflussnahme auf die Parlamentarier von den Geheimdiensten aus. Diese sind von den Parlamentariern nicht kontrollierbar. Umgekehrt sind die Regierenden aber von den Diensten bestens kontrollierbar. Ergo wird der Verfassungsgrundsatz ins Gegenteil verkehrt.
Wer nach den Vorgaben der Verfassung herrschen soll, wird von geheimen parlamentarisch nicht kontrollierbaren Mächten beherrscht.
Doch noch schlimmer; die geheimen Dienste erheben sich, ohne dass es dafür eine Rechtsgrundlage gäbe, über das Gesetz. Mir ist kein Gesetz bekannt, welches einer staatlichen Behörde erlauben könnte, gesetzwidrig zu arbeiten, jedenfalls kein solches, welches durch ein Grundgesetz legitimiert wäre. Und doch haben wir einen mächtigen Inlandsgeheimdienst in Form des Verfassungsschutzes als eine über den Gesetzen stehende Supermacht. Wer könnte den Diensten das Recht geben, mit ungesetzlichen Mitteln zu arbeiten, angefangen von der untersten Ebene der Rechtswidrigkeit der Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch Auszahlungen von steuerfreien Beträgen an V-Leute, bis hin zu Schwerverbrechen wie Mord und Anstiftung zum Mord?
Ich denke, niemand ist dazu berechtigt und doch geschieht es.
Es kann geschehen, weil die geheimdienstlichen Behörden ihr kriminelles Wirken völlig unkontrolliert im Untergrund betreiben können. Dabei ist die Arbeitsweise, abgesehen von der Rechtwidrigkeit, schon vom Grundsatz her anders als beispielsweise die Arbeit der Polizeibehörden.
Die unkontrollierbaren Geheimdienste müssten im Interesse der Rechtsstaatlichkeit abgeschafft werden. Der Schutz des Staates und seiner Bürger könnte und sollte von einer gut organisierten, auf dem Boden der Gesetze arbeitenden Polizeibehörde übernommen werden.
(V-Mann, dass den Herrgott graust: Thomas „Corelli“ Richter am Grill)
Die Polizei kann genauso gut wie die Dienste mit V-Leuten arbeiten, diese sollten aber beamtet sein und ihre Arbeit sollte bei Bedarf in allen Einzelheiten nachprüfbar sein. Wenn die Polizei einer drohenden Straftat auf die Spur kommt, dann ermittelt sie, klärt auf und übergibt ihre Erkenntnisse an die Justiz zur Aburteilung.
Anders die Dienste. Sie beobachten und lassen beobachten. Bringen aber die erkannten Straftäter nicht, oder nur in bestimmten Fällen vor Gericht. Sie benutzen Ihre Erkenntnisse zur weiteren Beobachtung. Oft über Jahre hinweg lassen sie Straftaten geschehen ohne einzuschreiten, ja sie verhindern oft das Einschreiten der regulären Behörden um mit den Straftätern weiter spielen zu können.
Viele Kriminelle werden wegen ihrer Erpressbarkeit bevorzugt von den Geheimdiensten angeheuert, um in deren Auftrag und Interesse weitere Straftaten zu begehen. Sehr häufig wird die Erpressbarkeit auch dazu benutzt, um aus politischen Gründen Falschaussagen vor den Polizeibehörden und der Justiz zu bekommen.
Diese Machenschaften sind an der Tagesordnung, kommen aber nur in den seltensten Fällen ans Licht. Das ist ein unerträglicher Zustand.
Ständig ist vom Schutz des Bürgers durch die Geheimdienste vor Verbrechen gegen das Leben die Rede. Damit soll die überbordende allumfassende Beobachtung aller Lebensvorgänge gerechtfertigt werden. Davon, dass die Dienste ihre Erkenntnisse zur perfekten Planung ihrer in eigener Regie verübten Verbrechen benutzt, ist nicht die Rede. Das kollektive Bewusstsein der Bevölkerung ist weit davon entfernt, dieser Erkenntnis einen Platz im Gehirn zuzubilligen.
So kann das Undenkbare täglich ungestraft geschehen.
(Ein Beitrag von Karl Heinz Hoffmann)
Sehr guter Beitrag!