Adnoten zur Theorie des Oktoberfestattentats: Ergänzung und Entgegnung
März 2015, Arbeitszimmer Schloss Ermreuth
Mit klarem Blick erkennt der Autor, dass alles was man bisher über das Oktoberfestattentat gehört hat, nur ein Wissen ist, das man haben soll und hat. Es ist nicht das Wissen, welches auf die tatsächlichen Vorgänge im Zusammenhang mit dem Verbrechen verweist.
Dr. Mayr unterteilt den Komplex Oktoberfestattentat in drei Wissensbereiche.
Da ist zuerst jener, der Ermittlungsarbeit der SOKO-Theresienwiese entnehmbare scheinbar harte Kern des Wissens „der im Groben dem Stil des polizeilichen Handwerks entspricht. Die Betonung muss hier auf „im Groben“ gelegt werden. Bei genauer Betrachtung ist nämlich das Bemühen der Kripo erkennbar, die Vernehmungsinhalte einem vorgegebenen Vernehmungsziel anzugleichen. Später sagte der Zeuge Walter D. vor Gericht auf die Frage, warum er bei der Polizei falsche Angaben gemacht habe, die er jetzt nicht mehr aufrecht erhalten könne: „Die Vernehmungen haben nun einmal ein bestimmtes Vernehmungsziel, und wenn es lang genug dauert, dann wird eben dieses Ziel erreicht.“
Das Vernehmungsziel war bereits wenige Tage nach der Explosion auf der Theresienwiese, gegen alle bis dahin gewonnenen Erkenntnisse, aus Gründen der „Staatsraison“ festgelegt worden. Diese Tatsache kann mit der Aussage des seinerzeit maßgeblich in der SOKO-Theresienwiese wirkenden HKH Mathis vor dem erkennenden Gericht im Nürnberger Gerichtssaal 600 beweisfähig gemacht werden.
Auf die Frage von RA Bukow: „Seit wann wussten Sie, dass Herr Hoffmann nichts mit dem Oktoberfestattentat zu tun hatte?“ antwortete der Beamte des BLKA: „Das wussten wir sehr schnell, bereits am nächsten Tage.“ Auf die Frage, warum dann trotz dieser Erkenntnis weiter in die falsche Richtung ermittelt wurde, antwortete Mathis: „Ich musste meine Ermittlungen danach ausrichten, Hoffmann ist der Täter.“
Wer ihn dazu bestimmt hatte, trotz besserer Erkenntnisse weiter einseitig in „Richtung Hoffmann“ zu ermitteln, sagte der Zeuge Mathis nicht.
Diese schier unglaubliche Aussage kann jederzeit durch handschriftlich geführte Prozessprotokollierung beweisfähig gemacht werden. Die Erkenntnisse zur Oktoberfestbomben-Affäre erschöpfen sich nämlich keineswegs in dem Herrn RA Dietrich zum Durchstöbern frei gegebenen Aktenmaterial.
Damit komme ich zu dem von Dr. Mayr angesprochenen zweiten Bereich der aktenkundigen oder beweisfähig dokumentierbaren Spuren und Scheinspuren.
Einmal von dem Umstand abgesehen, dass die Hauptakten eine beachtlich Menge an Sachverhalten enthalten, die der Entlastung Gundolf Köhlers vom Verdacht der Täterschaft dienen können, fehlen natürlich die entscheidenden, erkenntnisnotwendigen hochbrisanten Akten der Geheimdienste – jene Ãœbermittlung von angeblichen BND-Erkenntnissen, die eindeutig gefälscht waren, und nur kurzfristig ihren Zweck erreichen konnten. Aber sie erfüllten immerhin insofern wenigstens teilweise ihren Zweck, als der damalige GBA Rebmann veranlasst werden konnte, einen Verdacht gegen die Wehrsportgruppe Hoffmann in die Öffentlichkeit hinauszuposaunen. Den vorschnell ins Abseits geschossenen Ball konnte und durfte man nie mehr zurückholen und schon gar nicht ins richtige Tor schießen. Die Verdachtstheorie erzeugte Schlagzeilen auf den Titelseiten.
Der vom 18.09.1981, also nach etwa einem Jahr an die Presse gegebene Rückzieher, erschien nur als kleine Notiz und ging natürlich im Strudel des Mainstreams völlig unter.
(Nürnberger Zeitung vom 18. September 1981)
Der dritte Wissensbereich, die öffentliche Deutung der Ereignisse, ist nicht nur im Zusammenhang mit der Oktoberfest-Affäre, sondern ganz allgemein das eigentliche Problem bei der korrekten Aufarbeitung zeitgeschichtlicher Ereignisse.
Auch für das hier in Rede stehende Ermittlungsverfahren gilt die alte Historikerweisheit: „Der Zeitzeuge ist der Feind der Wahrheit.“
Der Zeuge ist von allen Beweismitteln das schlechteste. Zeugen sind beeinflussbar, besonders bei politischen Angelegenheiten neigen sie leider viel zu oft zur Abgabe von Gefälligkeitsaussagen im Sinne ihrer eigenen politischen Überzeugung. Und wieder andere berichten nur um sich wichtig zu machen oder in der Hoffnung auf eine Belohnung von angeblichen Wahrnehmungen, die sie gar nicht gemacht haben.
Unter diesem Aspekt müssen zum Beispiel sämtliche Aussagen von „Tatortzeugen“, die Gundolf Köhler am 26.11.1980 auf der Theresienwiese gesehen haben wollen, gewertet werden und zwar deshalb, weil sie Gundolf Köhler als jungen Mann mit Wuschelkopffrisur beschrieben haben. Tatsächlich hatte Köhler zum Zeitpunkt des Tatgeschehens kurz geschnittene Haare. Entweder haben die Zeugen nicht Köhler, sondern jemand anderes gesehen, oder sie behaupten nur etwas gesehen zu haben, was sie in Wirklichkeit nicht gesehen haben.
Und dann existieren noch die Aussagen geheimdienstlich präparierter Zeugen. An erster Stelle ist dabei die ominöse Bekundung „Das waren wir“ des Geheimdienst-Agenten Walter Ulrich Behle zu nennen.     Â
Abschließend verleiht Dr. Mayr der Hoffnung Ausdruck, das „journalistische Geschwätz umbringen“ zu können.
Es wäre zu schön, wenn ich mich dieser Hoffnung so einfach anschließen könnte. Das zu einer riesigen Menge zusammengeballte journalistische Geschwätz gleicht der mythologischen Hydra. Nach jedem abgeschlagenen Kopf wächst dem Gift versprühenden Ungeheuer ein neuer nach. Â
Und leider ist es nun mal so, die Menschen sind eher bereit das Böse zu glauben als die Wahrheit. Hinzu kommt, dass die Wahrheit in Sachen Oktoberfestattentat im Vergleich mit dem einfachen griffigen Klischee, an welches man sich schon gewöhnt hat, so unglaublich klingt. In diesem Sinn schrieb Theodor Herzl: „Alte Gefangene gehen nicht gerne aus dem Kerker.“
Die meisten Leute werden Gefangene einer professionell induzierten Gedankenwelt bleiben wollen. Die Erkenntnis, dass der Staat, an dessen Rechtsstaatlichkeit sie unbeirrt glauben, mit Steuergeldern geheime Behörden unterhält, die kriminellen Seilschaften erlauben, unvorstellbare Verbrechen zu begehen, ist für den Normalbürger absolut unverdaulich. Er wird deshalb die besser verdauliche Lügenkost, der bitteren Wahrheit vorziehen.
(Ein Gastbeitrag von Karl Heinz Hoffmann. Brettschneider ist damit enttarnt; die Red.)