Oktoberfestattentat: Diskothek Le Bateau
Abend des 26. September 1980, Nürnberg, Diskothek „Le Bateau“
In der Wehrsportzeit gehören die Wochenenden der WSG; Diskobesuche kann Hoffmann nur noch hin und wieder machen, Mittwochs oder an Sonntagen. Der Diskobesuch an diesem Abend entspringt einer plötzlichen Laune.
Den Zerberus an der Tür gibt ein eingedeutschter Tunesier. Die Tanzfläche ist von Tischen und Stühlen umgeben; ein Raum für die Bar mit offenem Ausblick zur Tanzfläche. Schummeriges Licht. Entspannte Atmosphäre.
An diesem Abend ist alles ganz normal. Kein besonderes Ereignis, das im Gedächtnis haften bleiben könnte. Nur an die Zeit vor dem Diskobesuch, in der Hoffmann die Entscheidung getroffen hatte, nicht wie ursprünglich geplant hinter dem Libanon-Konvoi her zu fahren, kann er sich später gut erinnern.
Der Türsteher kennt Hoffmann, die anderen sowieso.
Die Disko, in der sich Hoffmann im Moment des Anschlags aufhält, heißt „Le Bateau“ und ist eine Nobeldiskothek in der Nürnberger Innenstadt, in der Adlerstraße. Er war schon in den Fünfziger Jahren dort an den Wochenenden aus- und eingegangen, als das Lokal noch „Café Bellini“ hieß. Seither hatte das Lokal mehrfach Namen und Besitzer gewechselt. Eine Zeitlang war es von einem persönlichen Freund Hoffmanns betrieben worden. Er selbst gehört zu den Stammgästen und trifft dort abends die Clique, die nachmittags im Café Groll an der Fleischbrücke zusammen kommt.
Das Le Bateau hat Clubcharakter. Da kennt jeder jeden und nicht jeder kann da einfach reingehen. Es wird, zumindest am Eingang, sortiert.
Der Gast Hoffmann, seiner Erscheinung nach nicht vergleichbar mit dem „Chef“ der WSG, tritt gediegen elegant auf, ohne aufzufallen. Außer einer Weißgoldarmbanduhr trägt er keinen Herrenschmuck, keine goldene Geldklammer, aber etwa tausend D-Mark lose in der Hosentasche. Der Maßanzug ist selbstverständlich.
Obwohl um ihn herum kräftig gesoffen wird, trinkt Hoffmann keinen Alkohol, schmeißt keine Runden, und sein Geld wird nicht „sinnlos verpulvert“. Wenn sich Hoffmann mit einer Dame befasst, wird sie eingeladen, die Tischrechnung wird natürlich bezahlt. Aber Frauen zu bezahlen, so Hoffmanns Selbstverständnis, hat er nicht nötig.
(Tanzendes Publikum in einer Nobeldisko, um 1980)
Der Tanzboden war ein wichtiger Teil seines Lebens gewesen, schon in jungen Jahren. Schon als 16 Jähriger, damals noch in Thüringen, war er mit dem Fahrrad in die umliegenden Dörfer zum Kirchweihtanz gefahren. Die Kapellen hatten damals „Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt“ oder „Macky war ein Seemann und kein Hafen war ihm fremd“ gespielt. Anfänge des Boogie-Woogie in Thüringen am Land.
Später in Nürnberg, während der Studienzeit in den Fünfziger Jahren, ging es regelmäßig am Samstag in die Tanzcafés. Da spielten Musikkapellen zum Tanz auf. Diskos gab es noch nicht. Später, als die Diskos aufkamen, waren die das „Jagdrevier“. Wenn er in den 60er-Jahren mit der Geyhoundhündin Grace im schwarzen Jaguar E Type Cabrio am Café Groll vorfuhr, drehten die Mädchen angeblich ihre Hälse.
Der Diskobesuch an diesem 26. September 1980 ist schon ein retardierendes Moment; die Bekanntschaften aus der Nobel-Szene Nürnbergs, bei manchen Gelegenheiten während der 70er-Jahre weiter gepflegt, sind nur noch ein Strohhalm am bürgerlichen Leben. Nach der Münchner Explosion, die um 22 Uhr 19 stattfindet, ist dieses bürgerliche Leben für Hoffmann endgültig zu Ende.
Nach Mitternacht wird es ruhiger; Blues, „zum Anfassen“.
Gundolf Köhler und 13 weitere Menschen kommen durch die ausführenden Verbrecher um, zahllose werden verletzt.
(Nach einem Zeitzeugenbericht von Karl Heinz Hoffmann)
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