Oktoberfestattentat: Eine Scheinspur vom israelischen Geheimdienst?
Innenministerium Bonn, 4. Februar 1981
Regierungsdirektor Bötting fasst ein Schreiben an den BND ab; schon seit Monaten steht die Vermutung im Raum, Anhänger von Hoffmanns Kampfgruppe im Libanon seien mit italienischen Faschisten in einem Lager der libanesischen Falange zusammen gekommen, um Terroranschläge zu besprechen. Die Information ist von Anfang an unglaubhaft gewesen. Jetzt will Regierungsdirektor Bötting für seine Behörde wissen, was an der Sache dran ist.
(Az 82-82-40, TgbNr. 056/81, RD Bötting, S. 2)
Die Behörden der BRD haben die phantastische Geschichte über Hepp und seine Kameraden aus dem Ortenaukreis von der „engeren Umgebung“ des Fatah-Geheimdienstchefs Abu Iyad durchgestochen bekommen. Bis heute sind die einschlägigen Akten, von Bötting handschriftlich bezeichnet, gesperrt und werden es zumindest bis zum Jahr 2061 sein. Der Spitzel des israelischen Geheimdienstes, der den Unsinn vom Terrortraining bei der Falange mitgeteilt hat, soll nicht auffliegen.
(Az 82-82-40, TgbNr. 056/81, RD Bötting, S. 2)
Aber ist das wirklich so? Hat der Spitzel tatsächlich Geheimnisse ausgeplaudert?
Regierungsdirektor Bötting muss schon länger ins Grübeln gekommen sein, denn er kennt die Aktenvermerke aus den Tagen zuvor. Da war die Rede davon, dass Abu Iyad in einem Interview für ein italienisches Käseblatt behauptet hätte, die Fatah habe eine Gruppe von deutschen Terroristen festgenommen, die vom Gebiet der Falange aus den Beiruter Flughafen erreichen hätten wollen.
Bötting weiß, dass die Gruppe um Hepp im August 1980 nach Deutschland hatte fliehen wollen; dass die Leute die Botschaft der BRD in Beirut aufgesucht hatten und anschließend in einem Gefängnis verschwunden waren. Über die „Information“ des israelischen Spitzels muss er sich also wundern. Liegt eine Verwechslung vor? Oder was steckt dahinter?
(Der Fatah-Geheimdienstchef Abu Iyad, 1931-1991)
Liegt es nicht nahe, anzunehmen, Abu Iyad habe eine Nebelkerze geworfen und damit nicht nur die Anwesenheit der deutschen Kämpfer sondern auch deren Verrat verdecken wollen? Warum plaudert der Spitzel den Unsinn nach, und warum verkaufen die Israeli den deutschen Behörden diesen Mist als Erkenntnis aus dem inneren Kreis um Abu Iyad?
Tatsächlich meldet sich der BND einige Wochen später und informiert Regierungsdirektor Bötting. Dieser hatte sein Schreiben mit feiner Ironie gewürzt und abschließend unverblümt die Ansicht zum Ausdruck gebracht,
(Az 82-82-40, TgbNr. 056/81, RD Bötting, S. 2)
Bötting weiß natürlich, dass es eine solche Freiwilligengruppe deutscher so genannter Rechtsextremisten bei der Falange nie gegeben hat und vor allem auch, dass die Geschichte von der Terrorausbildung der Hepp-Leute im Vorfeld der Anschläge von Bologna und München eine vom BND lancierte Regenbogenpressen-Ente ist, der sich Abu Iyad anschloss, um seine Truppe aus der Schusslinie zu nehmen?
Stellt sich nur noch die Frage, ob die Ente von Abu Iyad oder vom israelischen Geheimdienst ausgeheckt worden ist?
(Fax des BND vom 15. März 1981)
Der BND bringt in seiner Antwort ausschließlich Pressemeldungen und zitiert verschiedene, auch ältere, Interview-Äußerungen Abu Iyads. Offensichtlich hatte dieser die internationale Presse angeschwindelt. Damit das Ganze für die deutschen Behörden annehmbar werden konnte, brauchte es aber noch eine fesche „Agentenmeldung“, die die Israelis prompt lieferten.
Zweifellos, solche Scheinpuren sind geheimdienstliches Handwerk bei der Abdeckung von Staatsverbrechen; und wenn der Gegner den Unsinn liefert, aus welchen Gründen auch immer, dann kann man den Schmarrn aufgreifen und mit einem gewissen Spitzel-Brimborium versehen, auf dass Jahrzehnte später immer noch ein paar ZDF-Deppen darauf reinfallen. Ein korrupter Palästinenser, der sein schlechtes Gewissen als israelischer Spitzel in antifaschistischer Liebedienerei abreagieren will, wird sich Jahrzehnte später als O-Ton-Geber auch noch finden.
(Hoffmann über den Nachplauderer Abdallah Franghi: „Du bist ein Schwein und ein israelischer Spion.“)
Elegante Lösung, wird der Leser vielleicht denken. Regierungsdirektor Bötting war im Bilde über die Natur der Scheinspur.
Und was machte der BND? Der lieferte, wie zum Hohn, keine Glaubwürdigkeitsprüfung sondern eine Denkbarkeitsprüfung, wenn es so etwas im Bereich der Geheimdienste gibt. Ein übler Scherz; Teil der Desinformation im Gefolge des Oktoberfestattentats.
(Fax des BND vom 15. März 1981)
Wir fassen zusammen: Der Geheimdienstchef der Fatah wirft ein paar Nebelkerzen um die eigenen Operationen zu decken und plaudert Unsinn gegenüber der Weltpresse. Die Israelis machen daraus eine sensible Agentenmeldung, um den deutschen Behörden was zu liefern. Das ZDF und diverse doofe Anwälte greifen das Jahrzehnte später als Scheinspur auf und nähren die läppischste Verdachtstheorie aller Zeiten.
Wenn der Regierungsdirektor Bötting noch lebt, hat er heute noch was zu lachen. Wir haben weniger zu lachen; der Tiefe Staat muss wenigstens in Deutschland zerlegt werden.