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Traum und Untergang der Wehrsportgruppe Hoffmann VI: Der Mann mit dem Lederhütchen

September 1984, Nürnberg

Im Schwurgerichtssaal 600, am Anfang des Prozesses gegen ihn, äußert sich der Angeklagte Hoffmann zu grundsätzlichen Dingen das Gericht betreffend und zu einigen ihm in der Anklage vorgeworfenen Taten: Das Verfahren gegen ihn wegen des Doppelmordes in Erlangen hatte das Schwurgericht eingestellt; danach war aber die Klageeröffnung von der Staatsanwaltschaft vor einer anderen Kammer erzwungen worden, trotz fehlendem hinreichendem Tatverdacht. Im Raum stand die bindende Auflage für die Kammer, das Verfahren nicht einzustellen sondern so oder so zu einem Urteil zu kommen. Hoffmann wird freigesprochen, aber in der Folge wegen verschiedener Vorwürfe zur Zeit im Libanon angeklagt.

Hoffmann trägt jetzt Vollbart; er ist auf der Höhe seiner Kräfte. Später wird er sagen, dass die Zeit vor Gericht seine beste Zeit war, weil er dem Gegner offen mit Argumenten entgegen treten konnte. Man weist ihm einen eigenen Pult zu.

Die Rede kommt auch auf den Anfang des Jahres 1980, als kurz nach dem Verbot der WSG ein seltsamer Mann bei Hoffmann zu Haus vorbeischaut.

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(Einlassung des Angeklagten Hoffmann, 13. September 1984)

Der seltsame Mann stellt sich mit einem Allerweltsnamen vor und tut recht geheimnisvoll; etwas zu fein angezogen ist er, wie es scheint, er trägt einen Lederhut und Handschuhe, die wohl erst kurz zuvor gekauft worden sein müssen. Ein wenig gewählt drückt er sich aus und rückt nicht heraus mit der Sprache. Hoffmann hatte nach dem Verbot erst mal die Schnauze voll. Der alltägliche Betrieb war abgerissen. Hoffmann hört dem Mann zu, vielleicht aus Neugier oder Langeweile.

Irgend ein Abenteuer, egal welches, denkt Hoffmann. Ob Kongo oder Tonga, der Fremde spricht vom Libanon. Alles bleibt recht vage.

Der Fremde ist ein Angeber, das merkt Hoffmann sofort. Aber irgend etwas hat er auf Lager, irgend etwas, das Hoffmann nach dem Verbot der WSG eine neue Herausforderung verschaffen kann, und wenn es nur ein Tapetenwechsel ist. Den Orient hat Hoffmann schon immer geliebt.

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(Einlassung des Angeklagten Hoffmann, 13. September 1984)

In einem bestimmten Moment denkt Hoffmann, er wird das zumindest vor Gericht sagen, dass man ihm wieder einen Spitzel vorbeigeschickt hat. Etwas stimmt mit dem Mann nicht ganz. Ein Fatzke.

Hoffmann unternimmt eine Spazierfahrt mit ihm und fragt ihn immer wieder nach seinem Beruf, nach den Kontakten in den Libanon, die er angedeutet hat.

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(Einlassung des Angeklagten Hoffmann, 13. September 1984)

Hoffmann wird mit diesem Hermann, der in Wirklichkeit Udo Albrecht heißt und von einer Seilschaft der westlichen Dienste geschickt worden ist, niemals Geschäfte machen. Man wird sich nach einer aufregenden Anfangszeit im Libanon, wohin Albrecht Hoffmann lockt, sogar in die Haare geraten, ja feindlich gegenüber stehen.

Nachdem sich der Fremde wieder verabschiedet hat, erkundigt sich Hoffmann bei seinen Freunden nach diesem Hermann. Und tatsächlich, einer wird fündig und übersendet einen Roman von einem gewissen Pohl, „Geblendet“. Anhand des Romans lassen sich die Grundzüge der Geschäfte des Herrn Hermann alias Albrecht erkennen.

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(Einlassung des Angeklagten Hoffmann, 13. September 1984)

Der Angeklagte Hoffmann berichtet dann im Schwurgerichtssaal 600 von seiner ersten Zeit im Libanon, wie ihn Albrecht in ein Lager der Fatah mitnimmt und dort zunächst einmal nicht weiter mit den Palästinensern in Kontakt bringt. Hoffmann redet von den ersten Differenzen mit dem Mann und von den Intrigen, die er immer wieder gegen ihn anstrengt. Hoffmann erzählt auch davon, wie er eine deutsche Kampfgruppe bei den Palästinensern aufbaut.

In seiner Einlassung kommt die Rede dann auf den Sommer 1980, als Albrecht einsehen muss, dass seine Versuche, die WSG-Ausland zu zersetzen und Hoffmann bei den Palästinensern unmöglich zu machen, scheitern.

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(Einlassung des Angeklagten Hoffmann, 13. September 1984)

Eine von Albrechts Intrigen besteht darin, Falschgeld, das Hoffmann zum Zweck der Unterstützung der Fatah in Deutschland drucken hat lassen, teilweise an sich zu nehmen und so zu verstecken, dass er es später der Polizei übergeben kann, wenn er etwas gegen Hoffmann braucht. Schließlich hat ihm die seltsame Seilschaft ja den Auftrag gegeben, oder ihn erpresst, Hoffmann, wenn er erst einmal im Libanon ist, „hochgehen“ zu lassen. Es klappt aber nicht, obwohl Albrecht alle Register zieht.

Der alte WSG-Mann Rößner, von Albrecht zurück nach Deutschland mitgenommen, tischt Hoffmann zum Beispiel die Legende auf, seine Mannschaft habe sich in seiner Abwesenheit gegen ihn gewandt, weil man das Gefühl hätte, man sei „an die Araber verkauft worden“. Als sich Hoffmann in Deutschland aufhält, kontaktiert ihn Rößner und präsentiert ihm Albrechts Story. Schließlich habe ihm Albrecht einen Vertrag gezeigt, mit dem Hoffmann seine Männer an die Palästinenser gleichsam zur Arbeit vermietet habe.

Rößner heult recht glaubhaft, als er mit Hoffmann im Auto sitzt und beschwört ihn, doch nicht mehr in den Libanon zurückzugehen, seine Männer befänden sich im Aufstand. So soll Hoffmann von seinen Leuten getrennt werden.

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(Einlassung des Angeklagten Hoffmann, 13. September 1984)

Dabei ist alles gelogen, und die Lüge wurde wie so viele andere auch von Albrecht eingefädelt. Hoffmann erkennt die Intrige Albrechts, als ihm Rößner schildert, die Männer der WSG hätten mit den Waffen in den Schlafsäcken übernachten müssen. Das ist dann doch Unsinn, denkt Hoffmann, die Palästinenser nehmen meuternden Kämpfern doch sofort die Waffen weg.

Dieser Art ist Udo Albrecht, der Mann mit dem Lederhütchen. Das Libanonabenteuer, eingefädelt, um die Hoffmann-Truppe dort führerlos zu machen und zum Terror zu verleiten, scheitert trotz allem aus der Sicht der Dienste: Trotz aller Zersetzung bleibt die WSG-Ausland weitgehend intakt bis zu Hoffmanns Verhaftung im Juni 1981.

Der Angeklagte Hoffmann wird aber das Gefängnis erst 1989 wieder verlassen.