Vom Oktoberfest zum NSU: Zeugenmassage nach Klaus Pflieger
Ermittlungsgruppe des Generalbundesanwalts in München, 26.11. 1980
Die Oberstaatsanwälte Holland und Görlach, federführend aber der , zusammen mit einem erfahrenen Kriminalhauptkommissar des bayerischen LKA, haben die Aufgabe übernommen, Zeugen aus dem Umfeld von zu vernehmen. In den letzten Tagen war ein ehemaliger Untermieter der Familie Köhler dran; der Zeuge wird in den Akten L.W. genannt; die Bundesregierung sollte seine Identität noch Jahrzehnte später verschleiern.
An diesem 26.11. tippt jemand eine Art Endfassung der Aussage von L.W. in die Maschine.
(Staatsanwaltschaftliche Zeugenvernehmung 1BJs 201/80-5, S. 21)
Dem Zeugen wird ein Aussagetext laut vorgelesen; es handelt sich um einen Text, der von der Ermittlungsgruppe aus Notizen gefertigt wurde. Der einschlägige Vermerk zu dieser Vorgangsweise zeigt einige schwere Rechtschreib- und Grammatikfehler, die einer Sekretärin kaum zuzutrauen sind. Alles scheint mit rechten Dingen zugegangen zu sein.
Zeuge L.W. hatte, wie er angibt, von April 1979 bis Ende Januar 1980 bei Köhlers Eltern gewohnt, in unmittelbarer Nähe des Zimmers von Gundolf. Weil er scheinbar viel zu erzählen hat, wird er zwei Tage hinter einander vernommen. Die Aussagen an den beiden Tagen zeigen recht unterschiedliche Färbungen, was die Einschätzung der Person Gundolfs, aber auch die Charakteristik von dessen Umfeld angeht. Am ersten Tag geht es recht banal zu.
(Staatsanwaltschaftliche Zeugenvernehmung 1BJs 201/80-5, S. 2)
L.W. war, ähnlich wie Gundolf, begeisterter Rockmusiker gewesen. Man spielte einen brachialen ; der Untermieter berichtet von Gundolfs Vorliebe für sein teures Schlagzeug. An den Wochenenden, wenn der Sohn des Hauses Pause vom Studium macht und zu Hause vorbeischaut, lässt man es musikalisch knacken. Die Sessions werden von einem jungen Mann namens Fridolin unterstützt, der als Gitarrist angeblich viel Freude an den Verstärkern des L.W. hat. Fridolin wird von der Bundesregierung mit Klarnamen an die verpfiffen, obwohl er im Protokoll als schwuler Spinner dasteht.
Aus eigenem Antrieb kommt zur später so eindringlich behaupteten sprengmeisterlichen Infrastruktur Gundolfs von diesem Zeugen trotz Lichtbildvorlage zunächst kaum etwas:
(Staatsanwaltschaftliche Zeugenvernehmung 1BJs 201/80-5, S. 2)
Das Trio will an frühere Erfolge Gundolfs als Rockmusiker anknüpfen; Anfang 1979 war Gundolf schon einmal als Chef einer Rockgruppe in der Lokalpresse erwähnt worden. „Filo“, so nennen sie Fridolin in der Band, gerät allerdings leicht mit Gundolf in Streit; später sollte er bei der Polizei aussagen, dass er in einer homosexuellen Beziehung zu Gundolf gestanden habe. Das wird von L.W. energisch bestritten. Bestritten wird von L.W. auch die Vermutung, dass ein gewisser , der die Band ab und zu in ihrem Keller besucht hatte, mit Gundolf eine sexuelle Beziehung unterhalten hätte.
Nach der inhaltlichen Struktur seiner Aussage, die ja ein literarischer Text der Ermittlungsgruppe um Pflieger ist, scheint L.W. einen großen Teil des ersten Tages seiner Vernehmung mit dem Zurückweisen von Gerüchten zur angeblichen Homosexualität von Gundolf verbracht zu haben. Spuren intensiven Nachfragens und eindringlicher Vorhalte lassen sich am Protokoll ohne weiteres erkennen. Außer der Beobachtung einer „mittelalterlichen“ Deko-Waffe an der Wand der pubertären Behausung ist vom Terror aber noch nicht die Rede.
Manches an den Rocker- und Schwulengerüchten dieses ersten Vernehmungstages erscheint der Bundesregierung noch Jahrzehnte später schutzwürdig. Anderes wird flott durchgestochen.
(Staatsanwaltschaftliche Zeugenvernehmung 1BJs 201/80-5, S. 5)
Das zeugenschaftliche Blabla führt dann noch zum legendären Eidechsenbrünnlein, das Gundolf restauriert hatte, zu geplanten literarischen Veröffentlichungen und zur Reiseleidenschaft Gundolfs. Amouren mit Frauen werden ausgebreitet, wobei so manche , die Gundolf auf seinen Eisenbahnfahrten oder als Untermieterin im elterlichen Haus kennen gelernt hatte, der Bundesregierung bis heute schutzwürdig erscheint. Auch scheint Gundolf nach der Aussage L.W.s gesammelt und wissenschaftlich ernst genommen zu haben. Schließlich war er ja ein Student der Geologie.
Am Ende des ersten Tages hat die Ermittlungsgruppe um Pflieger kaum etwas in der Hand. Es sind ein paar Schmusereien, sexuelle Kontakte im Heizungskeller, Krautrock, ein Eidechsenbrünnlein und komische Gerüchte über schwule Bekannte, die in irgend einer Weise, nach L.W.s Ansicht, Spinner gewesen sein könnten.
Das ist sehr wenig.
(Staatsanwaltschaftliche Zeugenvernehmung 1BJs 201/80-5, S. 11)
Kurz vor Vernehmungsende probiert man es noch einmal; schließlich soll ja Köhler ein gestörter Attentäter gewesen sein, mit traumatisch gescheiterten Beziehungen zu Frauen. Ein explosiver Komplexler, wie ihn die Nachwelt später einordnen soll. Das geplatzte Treffen mit der kleinen Französin hat aber kaum einen Indizienwert; Pflieger kommt an der vollkommen normalen Bumserei im Heizungskeller Anfang 1979 nicht vorbei. Er kann sie nicht wegdiskutieren.
Das war nichts an diesem Tag. Schade aber auch.
Aber wo ein Pflieger, da ist auch ein Weg. Am darauffolgenden Tag sollte ein wehen. Nichts mehr mit Heizungskeller.
Es beginnt mit ein wenig Küchenpsychologie:
(Staatsanwaltschaftliche Zeugenvernehmung 1BJs 201/80-5, S. 12)
Gut, das kann noch angehen, denkt der Leser der Akten; aber eines wird deutlich: An diesem zweiten Vernehmungstag betätigt sich L.W. als Interpret im Fach der Täterpsychologie. Plötzlich ist von Kontaktarmut und einer gestörten Seele die Rede. Gundolf, am Vortag noch der flotte Krautrocker und im Grunde sympathische Freund, wird ein wenig bedrohlich. Jeder Absatz der hergerichteten penis enlargement „Aussage“ des L.W. enthält eines jener Stichworte, die später die Einzeltäter-Theorie des Abschlussberichtes der Ermittlungen prägen sollte. Von „Kontaktarmut“ ist plötzlich die Rede, als ob der arme L.W. über Nacht einen Schnellsiede-Kurs in Polizeipsychologie absolvieren hätte müssen. Reserviert soll Gundolf gewesen sein, und schnell beleidigt. Durch und durch rücksichtslos und ichbezogen.
Dort, wo es in der Aussage um die Kontakte Gundolfs zu Fremden geht, herrscht noch Jahrzehnte später die regierungsamtliche Schutzwürdigkeit. Rechtzeitig vor der angeblichen Tat habe er sich dann „zurückgezogen“, wie es sich für einen anständigen Psychopathen gehört.
(Staatsanwaltschaftliche Zeugenvernehmung 1BJs 201/80-5, S. 14)
Es wäre ja nicht ganz uninteressant, zu erfahren, wen der Gundolf vor der so getroffen haben könnte. Wer sich als großer Einflüsterer betätigt haben könnte. Dazu sagen uns die schwarzen Flecken auf den Akten für die Elite-Journalisten aber gar nichts.
Dann geht es in die Vollen. Gundolf wird von L.W. als Rechtsradikaler bezeichnet, eine besondere Überraschung, zumal am ersten Tag kein einziges Wort dazu gefallen war. Ein richtiger Systemfeind, der Gundolf. Blabla. Und am Ende wählte er gar die Grünen, sagt L.W., erinnert sich an selbstgebastelte Raketen, irgendwelche Interessen für pubertäre Schuhkarton-Sprengungen. Seitenweise ist von der angeblichen Leidenschaft Gundolfs für die Sprengerei die Rede. Und immer die psychische Gestörtheit hinterdrein.
Schließlich geht es daran, den Zeugen Beobachtungen zum Bombenbau gemacht haben zu lassen.
(Staatsanwaltschaftliche Zeugenvernehmung 1BJs 201/80-5, S. 18)
Das ist alles nichts; aber es könnte etwas sein. Pflieger gibt sein Bestes, daran ist nicht zu zweifeln. Nach der und seiner phantastischen Vernaderung der Wehrsportgruppe wird jetzt der Zeuge L.W. massiert.
Wieder gegen Ende des Vernehmungstages zieht man dem Zeugen dann noch Gerüchte aus der Nase, die sich direkt auf den Münchner Sprengsatz beziehen sollen. Der Haken, mit dem Pflieger dem Zeugen seine Beobachtungen aus der Nase zog, ist uns nicht bekannt. Es muss sich um ein längliches, fieses Ding gehandelt haben; solche farblosen Phantome zieht man nicht so schnell aus einem Menschenkopf.
(Staatsanwaltschaftliche Zeugenvernehmung 1BJs 201/80-5, S. 18)
Buchstäblich in der Zieleinfahrt des zeugenschaftlichen Hahnenkamm-Rennens platzt L.W. dann noch mit der Aussage heraus, dass er Gundolf die Tat natürlich zutraut. Warum auch immer, er will dem Jungen nichts Schlechtes nachsagen.
(Klaus Pflieger, langjähriger staatsanwaltschaftlicher BRD-Funktionär)
Kein Wunder, dass sie den NSU erfunden haben. Es ist doch besser, als sich mit hingesäuseltem schwulen Kram und Bumsereien im Heizungskeller herumzuärgern. Zeugenmassage ist ein hartes und politisches Geschäft, und Pflieger genießt seine Pension.
Danke! Sehr erfeuliche Demaskierung eines „Funktionärs“. Ich verspreche hiermit, daß Pfliegers Bücher heute noch aus meiner Bibliothek entfernt werden.
(Meine persönliche Bücherverbrennung!)