1980 Oktoberfest » Blog Archive » Oktoberfestattentat: Aktenschwärzungen und kleinstgewerbliche Desinformation

powered by

Oktoberfestattentat: Aktenschwärzungen und kleinstgewerbliche Desinformation

Mai 2015, Berlin Zehlendorf

Seit es für die Vertuscher und Verdecker der Machenschaften um den Oktoberfestblender Albrecht eng wird, es kaum noch möglich erscheint, dessen Verbindungen zur Seilschaft um Dr. Langemann und Werner Mauss zu leugnen, erklingt auf Seiten der Schwätzer und Desinformanten das alte Lied von der Stasi. Immer wieder heißt es, die entscheidenden Personen unter den so genannten Rechtsterroristen der 70er- und 80er- Jahre seien Agenten der Stasi gewesen, die Stasi habe die Strippen gezogen im Umfeld des Oktoberfestattentats und man habe sich nach 1989 mit dem Westen darauf geeinigt, alles unter der Decke zu halten.

Tatsächlich handelt es sich bei dieser Legendenbildung um grobe Desinformation; Ziel ist es, das Oktoberfestverbrechen zu guten Teilen der Stasi anzuhängen und die bereits gewonnen Erkenntnisse zur Rolle der westlichen Dienste in der entstandenen Verwirrung zu entwerten.

Besonders perfide und unverschämt ist in diesem Zusammenhang das „Argument“, die BStU (die so genannte Stasiunterlagen-Behörde) schwärze die Klardaten von Terroristen im Umfeld des Oktoberfestattentats, die offenkundig von westlichen Diensten kontrolliert wurden, vor allem aus Gründen des Persönlichkeitsrechts.

5

(Der Terrorist und BND-Agent Udo Albrecht)

Allein der Hinweis auf die Tatsache, dass man mit solchen Schwärzungen auch die (italienischen und belgischen) Deckadressen und (bundesdeutschen) Autokennzeichen westlicher Dienste vertuscht, genügt schon, den Unsinn einer solchen „Erklärung“ für die Maßnahmen der BStU zu beweisen. Der Hinweis erübrigt sich, dass die angeblich persönlichkeitsrechtlich zu schützenden Personen an unverfänglicher Stelle sehr wohl mit Klarnamen auftauchen.

Gern wird die Vertuschung der Schweinereien und Verbrechen westlicher Dienste durch die BStU auch damit erklärt, dass es Geheimvereinbarungen zwischen dem MfS und den westlichen Regierungen gegeben habe, die auf einen Schutz der angeblich so entscheidenden Stasi-Aktivitäten im Umfeld des Oktoberfestattentats hinausliefen. Selbstverständlich seien alle einschlägigen Akten zudem „geschönt“, um die geheimen Agententätigkeiten der so genannten Rechtsterroristen für den Osten zu verdecken.

Im Folgenden werden einige Methoden solcher Anstrengungen der Desinformation dargestellt und erklärt. Dann ist es aber auch gut; bei wem der Bullshit-Detektor angesichts solcher Dinge nicht von selber ausschlägt, der sei eben seinem Schicksal überlassen.

1

(Aktennotiz des MfS, XXII, September 1981)

Zu Udo Albrecht, einer der wichtigen Figuren der Oktoberfestintrige, wird im oben zitierten Dokument ein Bericht geliefert. Albrecht war vom BND spektakulär in die DDR geschickt worden und entfaltete nun vor den Spezialisten des MfS sein Paket an Desinformation, das ihm der BND mitgegeben hatte. Allen möglichen „brisanten“ Kram versucht er dem MfS anzudrehen und sich damit, gleichsam mit der Brechstange, für eine Werbung als IM anzudienen. (Den Klarnamen eines Mitarbeiters einer Bundeswehrversuchs- und Erprobungsstelle schwärzt die BStU hier aus unbekannten Gründen; dass es sich um einen Stasi-Agenten handelte, erscheint eher unwahrscheinlich).

Der Blödsinn, so scheint es, den Albrecht hier vorzubringen trachtet, wird nur noch übertroffen von dem Blödsinn, Albrecht sei wohl schon seit 1971 für die Stasi tätig gewesen. Wer schon seit zehn Jahren für die „Firma“ tätig ist, wird sich nicht verzweifelt anzudienen versuchen.

Selbstverständlich wissen jene, die Albrecht eine Tätigkeit für die Stasi anhängen wollen, dass es einen Unterschied gibt zwischen einer „Quelle“ und einem V-Mann. Dieser Unterschied wird aber absichtlich verwischt, um ein Verdachtskonstrukt zu errichten.

Albrecht wurde tatsächlich seit 1971 vom MfS als Quelle geführt, so wie früher und heute zahllose Menschen als Quellen von Geheimdiensten geführt werden, ohne dass sie für diese Dienste tätig sind. Solche Quellen werden „abgeschöpft“, man gewinnt also Informationen über sie, z.B. durch Gespräche mit V-Personen. Mit der operativen Rolle einer V-Person hat das aber eben nichts zu tun.

2

(Aktennotiz des MfS, XXII, September 1981)

In unserem Fall versucht Albrecht sogar, seine Chancen beim MfS zu verbessern, indem er Atef Byseiso als Geheimniskrämer anschwärzt und gar noch anbietet, schriftliche Unterlagen über die PLO in der Botschaft der DDR vorbeizubringen. Auch diese Dummheit, die an sich bereits erstaunlich ist (die guten Beziehungen zu Byseiso werden den Schuss nach hinten losgehen haben lassen), wird nur noch durch die Gemeinheit übertroffen, Byseiso zu einem V-Mann des bundesdeutschen Verfassungsschutzes (!) zu machen.

Auch der tapfere Atef war, wie andere Diplomaten aus Krisengebieten in der BRD, von westdeutschen Diensten als Quelle geführt worden. Leider kann er sich heute nicht mehr wehren und muss sich von den Desinformanten noch nach seinem Tod anschwärzen lassen.

3

(Aktennotiz des MfS, XXII, September 1981)

Ähnlich wie unsereiner hatte das MfS keine Lust, sich vom Blender und Desinformanten Albrecht vorführen zu lassen und verzichtete selbstverständlich auf dessen „Informationen“. Albrecht war zwischen 1971 und 1981 kein IM. Genauso wenig wie es eine „Wehrsportgruppe Ruhrgebiet“ oder einen diesbezüglichen Prozess gegeben hat. Alles Erfindungen der westlichen Dienste, Desinformation.

Am Beispiel Odfried Hepp ist die Methode klar ersichtlich: Spätere Tätigkeit (ab 1982) für das MfS wird durch die bewusste Verwischung der Grenzen zwischen dem Quellen- und dem V-Mannstatus (IM) auf Verdachtsbasis zeitlich vorverlegt. Es soll der Eindruck entstehen, dass Hepp bereits 1980 für die Stasi tätig gewesen sei. Dadurch gerät die Stasi in den Geruch, am Oktoberfestattentat beteiligt gewesen zu sein und die Aufmerksamkeit wird von den wahren Verantwortlichen abgelenkt.

Dass Hepp nicht in die Attentatsplanung oder gar Ausführung eingebunden gewesen sein kann, geht aus der Tatsache hervor, dass er ab Sommer 1980 ununterbrochen im Libanon gewesen war, ab August 1980 sogar dort in Haft.

Welche Folgen diese ebenso konstruierten wie unbegründeten Verdächtigungen für die Betroffenen und für die Aufklärung haben, ist den Desinformanten und Persönlichkeitsrechtlern egal. Hauptsache der Auftrag vom Amt wird voll umfänglich erfüllt.